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Was vom Tage übrig blieb

Was denn jetzt noch? Aufm Sonntag?

Von wahren und falschen Königen, von Pressefreiheit und der “Großen Freiheit”, von umstürzenden Brandmauern, Reichsbürgern und Querfronten – was vom Tage übrig blieb.

Die Woche war ja irgendwie geprägt von den Knüllern Ballweg (muss in Haft bleiben) und Janich (wurde festgenommen). Doch es sind oft die vermeintlich kleinen Dinge, die durchaus größere Aufmerksamkeit bekommen dürfen. Denn die kleinen missachteten Dinge werden zu großen Sorgen im postfaktischen Zeitalter, in dem Emotionen gegenüber Tatsachen bevorzugt werden.

Fangen wir also an.

Der König von Deutschland bekommt einen eigenen Platz. Nein, nicht der durchgeknallte Spinner Fitzek, der hat schon seinen eigenen Petersplatz, selbst so benannt, also keine Ehre, sondern Ego.

Nein,

Rio Reiser

wird im ehemaligen Berliner Postzustellbezirk SO36 dadurch geehrt, dass der Heinrichplatz in Berlin-Kreuzberg in Rio-Reiser-Platz umbenannt wird. Heute ist die Einweihung, im September werden dann die Straßenschilder ausgetauscht.

Dadurch ehrt Berlin einen Menschen, der viel mehr war als der Rio oder der Sänger von „Ton Steine Scherben“. Viele ahnen gar nicht, wie weitreichend sein Einfluss musikalisch und ein bisschen auch poetisch war. Wer den Hit „Junimond“ der Band Echt hört, lauscht einem Cover eines Rio-Reiser-Songs. Wer auf Demos ein Schild hochhält mit dem Slogan „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, der rezitiert einen Rio-Reiser-Song.

Und doch war er noch mehr als das, und jeder, der jetzt meckert „Bah, ein linker Hausbesetzer“, der hat die komplexe Persönlichkeit des gläubigen Christen und offen homosexuellen Rio Reiser und seine zutiefst humanistische Einstellung einfach nicht verstanden – und sollte seine Liedtexte nochmal lesen oder besser noch hören.

Tja, König von Deutschland, aber einfach Mensch.

Aber eben nicht auf die Art „Mensch“, die der andere Spinner vorgibt zu sein, der „König Peter I.“, weil es sein Ego so schön kitzelt, der ist einfach nur ein Aufschneider und Scharlatan, ein Koch, der sich zu mehr berufen fühlt, es nicht wurde und es nun vorspielt.

Deswegen ist es schon ein bisschen schade, dass sich die Doku

„So trickst der Reichsbürger-König den Staat aus“

des Magazins Fakt der ARD relativ unkritisch gibt. Allerdings ist es der MDR, der die Doku gemacht hat, da ist es falsch, kritische Berichterstattung zu erwarten, wie wiederholte „Sommerinterviews“ mit dem Faschisten Höcke beweisen.

Dennoch ist sie sehenswert. Und nein, dass liegt nicht daran, dass wir darin vorkommen.

Sie ist in der Mediathek der ARD.

Hätten die Leute von Fakt nicht nur unseren Blog abgefilmt, hätten wir ihnen gesagt, dass die angebliche Friedfertigkeit von Spinner Fitzek nur gespielt ist und dass mindestens ein Mitarbeiter aus der Gemeinde Boxberg beim Königreich mitspielt. Und das er Frauen schlägt.

Um wen es sich bei dem (vermeintlichen) Gemeindeangestellten handelt, das kann die Gemeinde gern bei uns erfragen.

Das Königreich Deutschland bekommt immer noch zu viel Zulauf, auch, weil es noch immer vergleichsweise harmlos dargestellt wird. Peter Fitzek und seine Jünger sind alles andere als das.

Als harmlos betrachten leider auch noch immer manche Polizeieinsatzleiter die Querdenker. Daran gewöhnen wir uns ja allmählich.

Aber die Polizei Mittelfranken hat gestern in Nürnberg ein ganz besonders absonderliches Verständnis von

Pressefreiheit

offenbart. Dabei geht es nicht allein darum, dass die Beamten in völliger Ignoranz bisheriger Demos die Aggressivität der Demonstranten unterschätzten, die sich blitzschnell zu einem gewaltbereiten Mob formieren, wenn jemand auf der Bühne ihnen sagt, es sei „Antifa“ auf dem Platz und die müsse man „zu Boden bringen“.

Die nachfolgende Eskalation müssen sich die Einsatzleiter auf die Fahne schreiben. Aus den Erfahrungen der vergangenen Demonstrationen hat man offensichtlich auch nach zwei Jahren Querdenken-Demos noch immer nichts lernen wollen und keine Schlüsse gezogen. Die Presse als Feindbild dieser antidemokratischen Gruppierung wird nicht ausreichend geschützt und stattdessen aufgefordert, die Berichterstattung einzustellen, um nicht zu „provozieren“?

Was sind das denn für Ansichten über die freiheitlich-demokratische Grundordnung?

Aber in Nürnberg hat die Polizei einfach mal den Vogel abgeschossen, denn mehrere Journalisten berichten, dass sie schon im Vorfeld der Demo von der Polizei an der Arbeit gehindert und drangsaliert wurden.

Klar erlaubt das Polizei Aufgaben Gesetz (PAG) in Bayern eine solche Vorgehensweise, aber Journalisten, die sich gegenüber einem Beamten mit dem bundeseinheitlichen Presseausweis ausweisen, nutzen ein Dokument der Pressearbeit, das explizit von der Innenministerkonferenz mit dem Presserat für genau solche Zwecke vereinbart wurde.

Deswegen steht auf der Rückseite auch:

Sollte dies in Bayern, Mittelfranken oder auch nur bei den Ignoranten in Nürnberg noch nicht angekommen sein nach mittlerweile fast 6 Jahren, die es das Ding jetzt gibt, ist wohl eine Nachschulung fällig. Und zwar dringend.

Wurden die Beamten jedoch über den Hintergrund informiert, so haben diese einfach mal wissentlich einen Beschluss der Innenministerkonferenz ignoriert und auf ein grundrechtlich geschütztes Recht der Presse geschissen.

Bei der Polizei liest sich das dann so:

Insbesondere am Rande der Versammlung „75 Jahre Nürnberger Kodex“ war die Stimmung zwischen einzelnen Versammlungsteilnehmern und vor Ort anwesenden Pressevertretern aufgeheizt. Immer wieder kam es zu Wortgefechten. In einem Fall formierten sich mehrere Dutzend Personen und traten in bedrohlicher Art und Weise einer Gruppe von Fotographen gegenüber. Einsatzkräfte der Polizei konnten durch entsprechende Präsenz eine Eskalation der Situation verhindern.

Ausgesehen hat es so:

Und auch, wenn der Pöbler im oberen Video sächselt, das war Nürnberg und die Polizei Mittelfranken unter ihrem Polizeipräsidenten Roman Fertiger. Nicht zum ersten Mal bei uns im Blog und immer bei uns auf dem Schirm.

Der bundeseinheitliche Presseausweis ist eine ganz andere Nummer, als die selbstgemalten oder von halbseidenen Verbänden ergaunerten Pseudo-Presseausweise, mit denen manche aus dem rechten Milieu so rumwedeln. Der Nerling und der Westfal zum Beispiel, Volkslehrer und AktivistMännecken. Die kamen damit nicht einmal beim

Tag der offenen Tür im Kanzleramt

weiter.

Sowas aber auch. Böse Diktatur, oder?

Dass die sich aber auch immer noch „Aktivisten“ nennen. Das sind Aktivisten:

Tja, Aktivist ist halt nicht gleich Aktivist – und Polizei ist nicht gleich Polizei … leider wird der CumEx-Vergesser Scholz schon morgen keine Erinnerung mehr an den Vorfall haben, weil’s besser ist.

So ist das halt, wenn man von Politikern – wie im Falle Sanna Marin – fordert, Politiker sollten weniger oder am besten gar keine Party machen, und wenn, dann bitte heimlich und nicht unheimlich, denn wo kommen wir denn da hin? Dann bekommt man Stockschlucker wie Lindner, Scholz oder Söder.

Fällt schwer, nicht neidisch auf die Finnen zu sein. xD

Was auch schwerfällt: Zu verstehen, warum ein Bürgermeister einen Reichsbürger empfängt und auf die notwendigen Nachfragen damit reagiert, dass er den Pressevertreter körperlich angreift. So wie es der Bürgermeister von Bad Lobenstein

Thomas Weigelt

tat.

Nun, Thomas Weigelt ist hier bei uns kein Unbekannter, da sind Schwierigkeiten zu erwarten, er war halt schon zuvor auffällig. Und mittlerweile fordert der zuständige Landrat auf Facebook den sofortigen Rücktritt Weigelts.

„Ein solches Verhalten eines Bürgermeisters, eines Wahlbeamten gegenüber einem Journalisten oder jeder anderen Person ist durch nichts zu rechtfertigen“, schrieb CDU-Politiker Fügmann weiter. Dies sei „absolut inakzeptabel und wird juristische Konsequenzen haben. Er forderte Weigelt zum „sofortigen Rücktritt von seinem Amt als Bürgermeister von Bad Lobenstein“ auf.

https://www.n-tv.de/politik/Reporter-attackiert-Landrat-fordert-Ruecktritt-des-Buergermeisters-article23538140.html

Der Reichsbürger, um den es eigentlich ging, war „Heinrich XIII. Prinz Reuß“. Nachdem in der Vergangenheit noch der Ministerpräsident zum Bürgermeisterempfang kam, hagelte es in diesem Jahr absagen, was an Weigelt lag. Auch die Partnerstadt Leonberg sagte ab.

Da blieb wohl nur noch jemand, der die Existenz der Bundesrepublik leugnet.

Heini der XIII. Prinz Reuß hatte im vergangenen Jahr schon für Aufsehen gesorgt, als er in Saaldorf einen Aufruf zum Eintrag in Wahllisten verteilte. Saaldorf ist ein Ortsteil von Bad Lobenstein …

Ebenjener Journalist, der hier so intensiv über diese Vorgänge berichtet, wurde nun vom Bürgermeister Weigelt niedergeschlagen.

Nun, die Behörden haben die Reichsbürger zu lange zu wenig ernst genommen. Es mussten natürlich erst Polizisten ums Leben kommen. Und noch immer werden sie nur beobachtet.

Aber gut, vielleicht kann man nicht alles gleichzeitig haben: Demokratie, Menschen, die Demokratie verstehen, und solche, die sie gegen jene verteidigen, die ihre Errungenschaften nutzen, um sie zu zerstören.

Sie wollen halt mal ganz egoistisch ihre große Freiheit, aber jeder nur für sich.

Okay, Große Freiheit, die steuert gerade um. Die

Große Freiheit 36

auf St. Pauli in Hamburg hat nach Monaten des massivsten Geschwurbels mit Plakaten mit Querdenker-Narrativen an der Außenfassade nun eine neue Geschäftsführung. Und die hat angekündigt, den Kurs zu ändern. Nicht aus Überzeugung, der Besitzer ist immer noch Schwurbler, aber wohl deswegen, weil der Druck des Clubkombinats zu groß wurde. Der Zusammenschluss Hamburger Clubs und „Spielstätten“ hatte sich in einem offenen Brief unter anderem auch an „Große Freiheit 36“-Besitzer Karl-Herrmann Günther gewandt.

Auch wir sehen die Probleme, die durch politische Entscheidungen und den Umgang mit der Pandemie entstanden sind. Auch wir sind in vielen Momenten wütend und verärgert, sehen und fühlen Ungerechtigkeiten. Konstruktiver Dialog und kritisches Hinterfragen funktionieren jedoch besser ohne den Einbezug von populistischen Parolen, Personen und Plattformen. Auch das Streuen von irreführenden und falschen Informationen zur Pandemie ist einem sachlichen Diskurs nicht dienlich.

In diesem Kontext ist es mehr als naiv, eine “offene” Plattform für Corona-Kritik zu betreiben, obwohl allseits bekannt ist, wie sehr PandemieLeugner:innen, Verschwörungstheoretiker:innen, antisemitische, sowie rechtsnationale Strömungen miteinander verwoben sind und wie sehr Radikale diesen Diskurs aktiv für ihre Zwecke instrumentalisieren.

https://clubkombinat.de/offener-brief-des-clubkombinat-hamburg-e-v-bzgl-docks-und-grosse-freiheit-36/

Im März unterzeichneten zudem Konzertagenturen wie Karsten Jahnke und das Reeperbahn-Festival eine Boykott-Erklärung unter anderem gegen die „Große Freiheit 36“.

Man wird abwarten müssen, wie sich das in Hamburg entwickelt und ob da weiterhin anti-demokratische „Galas“ abgehalten werden, zu denen der Demokratische Widerstand von Lenz dann auch noch einlädt und zu der laut einem Plakat auch bekannte Größen der Bewegung eingeladen werden, darunter Ken Jebsen, der bekannteste deutsche Querfront-Verschwörungsideologe – so wie bei der im vergangenen Mai.

Wow, das war ein Holzhammer, oder? Okay, muss man sich dran gewöhnen im postfaktischen Zeitalter. Auf sogenannte „alternative Medien“, Reichsbürger und Schwurbler haben weder Gesellschaft noch Medien eine Antwort finden können bisher, entweder, weil sie Demokratie selbst nicht wertschätzen, es ihnen egal ist, sie zu träge sind oder zu dumm. Und von Politikern, die nur in Legislaturperioden denken, erwartet ja auch von den Nicht-Schwurblern kaum noch jemand was.

Naja, einige schon, aber woran niemand mehr glaubt das ist eine funktionierende

Brandmauer gegen Rechts

wie sie so oft beschworen wurde. In Schneeberg hat sie nicht gehalten und man könnte nun sagen: Klar, Sachsen, Erzgebirge! Aber das wäre zu leicht, denn neulich war es die FDP in Dresden, die mit der AfD Bierchen soff, und auch in anderen Bundesländern ist auf Kommunalebene die Zusammenarbeit mit der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei des Faschisten Höcke längst Usus. Unvergessen auch die Kemmerich-Aktion in Thüringen.

Politiker in Sachsen beschwören oft die »Brandmauer« gegen rechts. Doch nun haben CDU und Linke in Schneeberg Wirtschaftsminister Habeck vor sozialen Unruhen gewarnt – mit der AfD. Ein Landesverband reagierte bereits.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schneeberg-afd-cdu-und-linke-schreiben-brandbrief-an-robert-habeck-a-3c358688-05aa-4071-b7b0-a0fd62be999f

Man nennt das in Schneeberg überparteilich. Dort ist jedoch die Brandmauer ebenfalls gefallen.

Spaßig:

Der Landesverband der Linken war auf Twitter rasch um Schadensbegrenzung bemüht. »Wir haben diesen Brief nicht unterschrieben und wir hätten es auch nicht«, heißt es in einem Tweet. Dass die beiden Schneeberger Genossen hingegen unterzeichnet haben, begründet der Landesverband damit, dass diese nicht gewusst hätten, dass auch die AfD-Fraktion angefragt wurde.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/schneeberg-afd-cdu-und-linke-schreiben-brandbrief-an-robert-habeck-a-3c358688-05aa-4071-b7b0-a0fd62be999f

Ja, Quatsch. Hört auf, Mist zu erzählen. Der Brief wurde mit diesem Beiblatt veröffentlicht.

Nicht gewusst, my ass.

DieLinke macht sicher weiter mit „Montagsdemos“ und ist „stets bemüht“, sich dabei von den Rechten abzugrenzen. Mal sehen, wie lange DieLinke da standhält in Bundesländern wie Sachsen … wo mittlerweile jede Veranstaltung okkupiert wird.

Spannend: von der CDU kam noch keine Stellungnahme zu Schneeberg. Dabei fordert diese Partei in dem Brief Robert Habek mit dazu auf, die Energiewende besser zu planen und eine längerdauernde Abhängigkeit von Erdgas aus Russland einzugestehen, eben genau die Partei, die maßgeblich im Kanzleramt und vielen Landesregierungen die Energiewende verkackt, verzögert und vergeigt hat.

Aber was nützt das Lamento: Es ist Querfront-Zeit, und dabei kam noch nie etwas Gutes heraus. Zu viele Menschen auf allen Seiten des politischen Spektrums sehnen sich nach einer harten Hand, die endlich durchgreift und die ihrer Meinung nach bestehenden Missstände endlich beseitigt. Jemand wie Trump, jemand wie Putin, auf jeden Fall jemand, der sie zurückführt in ihr ewiggestriges Stummeldasein, damit sie es „cosy and warm“ haben.

Und damit noch einen schönen ruhigen Sonntagabend.