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Berliner „Justiz“: Milde 9 Monate auf Bewährung für Nerling und andere Kuriositäten

Der sogenannte „Volkslehrer“ Nikolai Nerling wurde heute in Berlin zu einer vergleichsweise milden Bewährungsstrafe verurteilt. Doch das ist nicht das einzige, was bei Berliner Justiz und Ermittlungsbehörden heute seltsam daherkommt.

Eine Freiheitsstrafe von neun Monaten, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt – das ist das Urteil eines Berliner Gerichts gegen den rechtsextremen Holocaustleugner Nikolai Nerling in zwei Fällen von Volksverhetzung und Beleidigung. Außerdem muss er 3000 Euro an die Amadeu-Antonio-Stiftung zahlen.

Ein Witz.

Der Staatsanwalt hatte schon eine extrem niedrige Strafe gefordert: 11 Monate auf Bewährung, aber der Richter Stephan Markmiller blieb noch drunter. Und das, obwohl er in der Urteilsbegründung sagte, die Beleidigung gegen einen jüdischen Mann sei schwer zu ertragen gewesen.

Niedrig?

Nerling ist Wiederholungstäter in Sachen Volksverhetzung. Schon 2019 wurde er verurteilt. Damals hatte er in der Gedenkstätte des KZ Dachau eine Mitarbeiterin verhöhnt und einer Schülergruppe zugerufen, sie sollten nicht alles glauben. Die Schüler widersprachen ihm damals und enttarnten seine Aussagen als Verharmlosung des Holocaust und Antisemitismus in moderner Verpackung. Das Amtsgericht Dachau verurteilte ihn 2019 zu einer Geldstrafe von 10.800 Euro, zwei Instanzen bestätigten das Urteil, das Landgericht sowie das Oberlandesgericht, das Landgericht hatte jedoch die Strafe auf 6000 Euro reduziert.

2021 bestätigte das Bayerische Oberste Landesgericht als dritte Instanz das Urteil. Am 13. Dezember 2021 erhielten Eva Gruberová, die Schüler und ihr Lehrer für ihren Mut gegenüber Nerling den Dachau-Preis für Zivilcourage. Das Bundesverfassungsgericht ließ Nerlings Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil mit Beschluss vom 17. Dezember 2021 gar nicht erst zur Verhandlung zu.

Wikipedia

Vor diesem Hintergrund erscheint das heutige Urteil nicht nur mild, es ist auch so. Die Wiederholungsgefahr hat das Gericht genauso außer acht gelassen, wie die vorhergehende Verurteilung.

Oder anders ausgedrückt: Man hat sich in Berlin wieder einmal sehr bemüht, einen Rechtsextremen nicht allzu schlecht zu behandeln. Und ganz allmählich bekommt das Gebahren in der Hauptstadt Kontur. Denn bei über 300 verfolgten Delikten aus dem Jahr 2020 beim Sturm der Reichstagstreppe gab es zwar 80 Verfahren, aber die meisten wurden eingestellt, insgesamt blieben 3 Geldstrafen.

Drei.

Auch passend: Die Ermittlungen im Falle der Serie von Brandanschlägen in Berlin -Neukölln. Da ist Montag Prozessauftakt, die Täter schon lange identifiziert. Nur hieß es lange, für eine Anklage fehle der Beweis.

Der lag jedoch vor, blieb aber lange unbeachtet, wie heute herauskam. Die Täter waren auf frischer Tat gefilmt worden, doch die „Ermittler“ ließen es liegen. Das berichtet der RBB heute.

Die auf dem Video zu sehenden Täter wurden von den Ermittlern zunächst nicht identifiziert. Denn die Linksextremismus-Bekämpfer informierten nach der ersten, verspäteten Sichtung ihre Kollegen aus den Dienststellen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus darüber, dass Unbekannte in jener Nacht offenbar das von Rechtsextremen genutzte Symbol des Keltenkreuzes an die Hausfassade gesprüht hatten.

Doch die Rechtsextremismus-Bekämpfer nutzten das Beweismittel zunächst nicht. Sie ließen es vielmehr liegen und erwähnten es in den Ermittlungsakten zunächst mit keinem Wort.

Dass überhaupt noch in dem Fall der Anschlagsserie ermittelt wurde, lag nur am öffentlichen Druck und daran, dass herauskam, dass ein Staatsanwalt befangen war. Er wurde versetzt, die Generalstaatsanwaltschaft übernahm.

Die nun zuständigen Juristen suchten daraufhin nach neuen Ermittlungsansätzen, baten die Polizei, noch einmal jeden Stein umzudrehen. Und nun endlich, rund eineinhalb Jahre nach der Schmiererei vom März 2019, werteten die Rechtsextremismus-Ermittler das von ihren eigenen Kollegen der Dienststelle zur Bekämpfung des Linksextremismus in Auftrag gegebene Video aus. Im Dezember 2020 sichteten sie die Aufnahmen – und trauten ihren Augen nicht. Denn die bei schwacher Beleuchtung in der Nacht aufgezeichneten Bilder waren zwar von bescheidener Qualität. Die Rechtsextremismus-Experten waren sich aber sicher, auf dem Video alte Bekannte zu sehen – darunter den Hauptverdächtigen der „Neuköllner Anschlagsserie“: Sebastian T. Die szenekundigen Beamten notierten, sie hätten den Neonazi auf den Aufnahmen „zweifelsfrei“ identifiziert.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2022/08/rechtsextreme-anschlagsserie-neukoelln-ermittler-beweisvideo.html – Hervorhebung von uns

Na schönen Dank auch. An ein Versehen mag man kaum noch glauben. Für das Verfahren am Montag wollte das Gericht nicht einmal die Geschädigten als Nebenkläger zulassen. Es musste erst Beschwerde eingelegt werden.

Man wollte wohl lieber unter Seinesgleichen verhandeln. Jetzt fehlt nur noch, dass das Urteil reduziert wird, weil die Beschuldigten sooooooooooo lange auf ihr Verfahren warten mussten.

Is dit Berlin?

Update

Das Amtsgericht Tiergarten befand den 42-Jährigen der Volksverhetzung in zwei Fällen, des Hausfriedensbruchs, Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, Beleidigung und der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes schuldig.

Das schreibt die taz heute – und macht das Urteil gegen Nerling in seiner Milde nur noch unverständlicher.

Weiter heißt es:

Nerling nutzte jedoch eine kurze Prozesspause, um vor dem Gerichtssaal Positionen der Volksverhetzerin Ursula Haverbeck zu vertreten, die den Holocaust leugnet. Die 93-Jährige war zuletzt im vergangenen April in Berlin wegen Volksverhetzung zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr verurteilt worden.

Und dann der Knaller – ein Vertreter der Berliner Polizei, der nicht begreifen möchte:l, dass Rechtsextremismus keine Frage der Bildung ist.

Ein Polizist sagte als Zeuge vor Gericht zum Verhalten des Angeklagten: „Er ist aus meiner Sicht nicht der klassische Rechtsextremist. Er ist sehr gebildet und eloquent.“

Da bleiben keine Fragen mehr offen.