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Querfront in der Corona-Pandemie: stärker denn je

In Zeiten der Pandemie haben ohnehin schon laufende Querfront-Bestrebungen weiteren Zulauf – aus dem bürgerlichen Lager.

Sven Liebich wippt leicht auf dem Vorderfuß. Das macht er immer, unbewusst, vor allem, wenn er mit Frauen spricht. Das liegt an seiner geringen Körpergröße, und wenn er mit Frauen redet, versucht er dadurch, seinen 1,63m mehr Geltung zu verschaffen. Und heute geht es ganz besonders um Geltung. Um Querfront. Um Durchsetzung. Das ist für Sven Liebich, den wegen Volksverhetzung vorbestraften Rechtsextremisten, wichtig.

Sandra Gabriel hat eine Gruppe „Bewegung Halle“ ins Leben gerufen, die sich nach Querdenken-Art lautstark gegen die Coronamaßnahmen ausspricht. Sie ist auch Kopf hinter „Freie Linke Halle“, aus der nun die „Freie Linke“ wurde, auf die sich der Brüggemann bezieht, wenn er seine #allesdichtmachten-Videos verteidigt. Sandra sagt Sachen wie:

„Für Linke – also diejenigen, die sich noch an ECHTE linke Ideale erinnern – zählen Solidarität, der Einsatz für Freiheit, für Frieden und insbesondere der Gleichheitssatz. .. Jemand wie Rudi Dutschke, würde er noch leben, stände heute bei uns!“

Sven Liebich, der Rechtsextremist, redet heute mit Sandra Gabriel von der „Freien Linken“. Beide kennen sich schon lange. Der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Liebich, der in seinem Online-Shop noch immer unbehelligt von Polizei und Justiz in Halle gelbe Sterne mit der Aufschrift „ungeimpft“ verkauft, und die Sandra von der Gruppierung „Freie Linke“. Sie eint weit mehr als die Relativierung des Holocaust und viel mehr als nur struktureller oder sekundärer Antisemitismus. Eigentlich ist er eher sehr rechts, sie verortet sich eher links. Das passt zusammen?

Dr. Daniel Langhans ist ein ehemaliger AfD-Politiker. Er beklagt etwas, das er die „Dekonstruktion des Menschen“ nennt. Dahinter verbirgt sich jedoch einfach nur ein dicker Stapel an Homophobie, Verschwörungsmythen „Plandemie der Eliten“ und allerlei anderer Siff. Langhans ist einer der führenden Redner von Querdenken731 Ulm, der Gruppe, von denen der Verfassungsschutz Baden-Württemberg sagt, sie würden „Personen“ beobachten. Auch Haintz ist in der Gruppe.

Ralph T. Niemeyer war ursprünglich Mitglied der SPD, trat aber wegen deren Kurs unter den Vorsitzenden Engholm und Lafontaine aus. Im Januar 2011 wurde er Mitglied der Partei Die Linke, zunächst im Kreisverband Heidelberg-Rhein-Neckar in Baden-Württemberg, ab Juni 2012 in Niedersachsen. Am 7. Mai 2013 wurde Ralph T. Niemeyer als Direktkandidat für den 18. Deutschen Bundestag aufgestellt. Er vertrat die Partei Die Linke auch auf der Landesliste. Er war mit Sahra Wagenknecht verheiratet. Und jetzt, im Mai dieses Jahres, war er Gastredner auf einer Demo am KZ Mauthausen – derselben, bei der Alexander Ehrlich von Honk For Hope eine Hitlerrede abspielte.

Heinrich Fiechtner, ehemaliger AfD-Landtagsabgeordneter und gern gesehen auf Querdenken-Demos, trat 2017 aus Partei und Fraktion aus, angeblich aus Protest gegen die antisemitischen Äußerungen eines Wolfgang Gideon, mit dem er dann auf Querdenken-Demos Atteste gegen die Maskenpflicht tauschte.

Kayvan Soufi Siavash – Ken Jebsen – ist Kultfigur alle jener, die auf normale Medien nicht vertrauen, die aus dem normalen Diskurs längst ausgestiegen sind und sich den Verschwörungsideologien hingeben. Er selbst bezeichnet sich als einen Linken, propagiert aber bei KenFM Gedankengut, das viele als rechts einstufen. Siavash ist eine Querfront für sich, wenn man sich seine Äußerungen anhört.

2014, nach seinem Rauswurf beim RBB wegen antisemitischer Äußerungen, erhielt er vor allem Unterstützung von Diether Dehm, einem Bundestagsabgeordneten der Linkspartei. Das Bild der beiden, im Dezember 2014 auf einer der Mahnwachen für den Frieden aufgenommen, wurde zum Querfront-Symbolbild.

Liebich, Gabriel, Langhans, Niemeyer, Fiechtner, Jebsen/Siavash, Dehmer – rechts, links, rechts, links, quer, quer, Querfront marschiert, und Maßnahmengegner, Querdenker, Frauen in Sommerkleidchen und Esoteriker, Waldorfschüler und Engelgläubige, Außerirdische, Mitglieder von dieBasis, „Die Direkte“, Kinderärzte aus den Hamburger Walddörfern, Professoren und Anwälte, sie alle dackeln hinterher. Ihnen ist es egal, ob jemand rechts oder links ist. Diese Grenze ist längst aufgehoben, so wie im Kopf von Anselm Lenz, der für taz und Rubikon schrieb, für KenFM und Demokratischen Widerstand. In Zeiten der Corona-Pandemie lässt sich ein Anselm Lenz von der AfD beklatschen, Sven Liebich tut kund, er würde Sahra Wagenknecht wählen, das Bauchgefühl ist stärker als jedes Demokratieverständnis.

Es ist Querfront.

Zum ersten mal so richtig offenbar wurden Querfrontbestrebungen der Neuzeit im Jahre 2014. Bis dahin kannte man Querfrontbestrebungen aus der Weimarer Zeit, aus der NS-Zeit, von den Grünen, den Neonazis. Aber 2014 kamen die Friedenswahnmachen … sorry … Friedensmahnwachen oder Montagsmahnwachen für den Frieden, sie brachten rechte wie linke Akteure auf die Straße. Vereinzelt nur, recht klein. Rechte NPD-Kader demonstrierten mit linken Parteigängern gegen den Ukraine-Konflikt. Alle auf der Seite von Putins Russland versteht sich. Der Tagesspiegel Berlin schrieb damals Anno 2014:

„Die Parteikommunisten sehen den roten Sowjet-Stern wieder am Himmel emporsteigen. Der NPD-Mann hasst die Yankees ohnehin und für die Hippie-Esoteriker ist der Stärkere von Natur aus im Unrecht.“

Und mittendrin lamentierte man über den Kulturkapitalismus der USA, die fiese und tödliche Politik der „Fed“, der Federal Reserve Bank der USA, ein gern angewandter Code, wenn man eigentlich die Rothschilds und US-amerikanische Ostküsteneliten meint und nicht Juden sagen möchte. Oder Zionisten. Oder sonstwas. 2014.

Querfront. Heute stärker als 2014.

Einzelne Protagonisten der 2014er Mahnwichtel sehen wir auch heute wieder. Sie haben ihre Querfront nie aufgegeben. Doch die Corona-Maßnahmen, die elendige Pandemie, sie hat der Querfront Zuspruch und Zulauf beschert.

Querfront. Wir haben den Begriff Querfront schon öfter hier in Artikeln verwendet. Wer uns kennt, der weiß, dass wir so etwas nicht ohne Grund tun. Denn wenn wir verstärkt dazu übergehen, Querdenken und Co. als Querfront zu bezeichnen – wie hier: Ein Jahr Querfront … ugly birthday! – , dann liegt es vor allem daran, dass wir nicht nur die einschlägigen Gruppen rechts, sondern parteiunabhängig alle Gruppen beobachten – „both sides of the ailes“. Schaut man nämlich ohne parteipolitischen Bias auf die Demos, kann man nicht mehr von rechts oder links sprechen. Wenn es für die nicht gilt, dann darf es auch für die Beobachter nicht gelten.

Pandemie-Kritik: Es ist nicht einfach nur nerviges Rumgeprolle an Wochenenden, das BRD-Söldner-Geschreie gegen Polizeieinheiten, das Verbleiern bleifreien Benzins auf Autokorsos, die Drohgebärden auf Telegram und das Uga-Uga-Brustgeklopfe rechtsgescheitelter Bierdunstverströmer. Über dieses Stadium sind wir hinaus. Auch wenn einige wenige rechte „Kampftruppen“ dort mitlaufen, auch wenn III. Weg und NPD sich an diesen Demos beteiligen, Querdenken, dieBasis und ihre Anhänger kommen aus allen politischen Lagern, Studien aus Basel und Beobachtungen belegen dies, auch wenn man die Zahlen mit Vorsicht genießen muss.

Und deswegen gehen Thesen wie „Querdenker sind ALLE RECHTS“ oder „Die Pandemieleugner sind Nazis“ böse fehl. Auch wenn eingefleischte Linke jetzt schreien: sie sind nicht per se rechts. Die wenigsten sind es. Auch wenn Grüne jetzt zucken und die SPD … nun, sich duckt, was sie in den letzten Jahren immer macht: Nein, etwas weitaus Umfassenderes, Verfassungsfeindlicheres ist im Gange, und jeder, der Querdenken noch immer als Naziaufmarsch, als rechtes Gesocks oder was auch immer bezeichnet, verschläft es, verstellt sich den Blick auf das, was in diesem Land schon so viel länger im Schwange ist, als wir Covid19 überhaupt kennen.

Denn es ist schlimmer.

Querfront-Bestrebungen gibt es seit Jahren. Doch was ist das eigentlich?

Der Verfassungsschutz hat eine eigene Kategorie geschaffen: „verfassungsschutzrelevante Delegitimierung des Staates“. Klingt sperrig, trifft es in seiner richtungslosen Ausrichtung aber perfekt. Denn wenn der Sven mit der Sandra, der Manfred mit dem Ken, der Ralph mit dem Alexander, beide zusammen mit der Sahra und die im Wahlkampf mit wirklich, wirklich, wirklich jedem schmust, dann ist Gefahr in Verzug. Dann ist Querfront in Teilen Realität. Nicht wegen des maskenlosen Schaulaufens, sondern wegen der demokratieschädlichen und verfassungsfeindlichen Bestrebungen im Hintergrund.

Querfront ist per Definition ein lagerübergreifendes Bündnis mit inhaltlichen Schnittmengen. Genannt wird gern Antisemitismus, Rassismus, Homophobie, Islamismus und Antifeminismus. Extremismustheoretiker beschränken sich hier jedoch gern auf Freund-Feind-Konstruktionen und antisemitische Welterklärungen, die aus dem Bereich der Verschwörungsmythen verklappt werden.

Querfront ist jedoch sehr viel umfassender. Querfront, das ist keine Mengenlehre, keine Schnittmenge zwischen Rechts und Links. Antisemitische und antikapitalistische, antiamerikanische und antidemokratische Thesen sind keine Erfindung von rechts, man findet all das auch links. Im linken wie im rechten Spektrum gleichermaßen herrscht eine grundlegende Verachtung von Verfassungsprinzipien vor. Ja, auch Antisemitismus, Antizionismus, Antiamerikanismus und daraus oft resultierende stark verkürzte Kapitalismuskritik spielen eine Rolle. Aber dringlicher ist die Verachtung parlamentarischer und demokratischer Institutionen – der Politik als Legislative, der Strafverfolgung als Exekutive und der Gerichtsbarkeit als Judikative. Sie zu instrumentalisieren, sie für sich zu vereinnahmen oder – wenn das nicht geht – sie zu bekämpfen, das ist für diese Gruppen der Weg, der zur Aushöhlung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung dient. Die Anhänger einer Querfront bejahen laut Umfragen zwar die Idee der Demokratie, schenken den demokratischen Institutionen jedoch fast gar kein Vertrauen.

Nicht Corona, der Kampf gegen das System ist Programm

Die Medien werden als demokratische Vermittlungsform und als „vierte Macht im Staate“ vollständig diskreditiert, alternative Medien mit alternativen Fakten – KlaTV, 2020News, KenFM, Reitschuster, um nur einige Beispiele zu nennen – werden aufgebaut. Zweifel säen, Zwietracht verbreiten. Gemeinsam. Wenn der rechte Schreihals es nicht schafft, einen von der Einflussnahme jüdischer Eliten zu überzeugen, dann vielleicht der linke Politiker, der den überbordenen Parteienstaat schlicht zu diesen Eliten zählt. Wenn Studien veröffentlicht werden, veröffentlichen wildgewordene Professoren verkürzte Schaubilder und Diagrammausschnitte, die das Gegenteil belegen sollen. Dazu gehört auch die Instrumentalisierung der Bundespressekonferenz durch einen „Journalismusdarsteller“ wie Reitschuster.

Und Drohungen gegen die Presse wie den Tagesspiegel, in diesem Fall vom Anselm L. und seinem Demokratischen Widerstand.

Es ging dabei um #allesdichtmachen, den Versuch, Querfront über Schauspieler in die bürgerliche Mitte zu tragen, ein Ansinnen, das benebelte Schauspieler teils mit wütender Verve übernahmen. In einer Querfront bilden sich Berührungspunkte zwischen rechts und links, sie spielen auf Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmmen eine herausragende Rolle, schaffen Verbundenheit, als ein Volk – aber eben nicht ein Volk dieses Staates. Denn diesem Staat sprechen sie mittlerweile alle die Legitimation ab.

„Wir betonen, die BRD ist nicht Deutschland, weder wesensgemäß, noch moralisch, noch inhaltlich, noch politisch, noch territorial. Daraus folgt für uns: Das BRD-System muss weg.“

Das schreibt Arno Niederländer von Querdenken Erfurt auf Telegram. Und er meint es so. Viele meinen es so.

Das Problem: alle anderen, die nicht dieser Ansicht sind, zeigen nach rechts – und werden von links geblindsided. Solange dies geschieht, wird der Ernst der Lage nicht wahrgenommen. Vor allem im linken Spektrum gibt es reichlich Abwehrreflexe. Die müssen doch rechts sein, wenn wir links sind. Falsch. Querdenken und die gesamte Bewegung stammt ebenso sehr aus dem links-grünen Spektrum unseres Landes wie aus dem rechtskonservativen. Hier müssen sich Linke und Die Grünen nochmal zurückziehen und ein paar Hausaufgaben machen. Und links wird eben nicht nur mit Antisemiten marschiert. Antisemitismus, direkt, strukturell oder sekundär, das ist auch ein bürgerliches, ein parteiübergreifendes Problem.

Jürgen Elsässer, einst Mitglied des Kommunistischen Bundes und Redakteur der linken Tagesszeitung „Junge Welt“, jetzt rechtspopulistischer und verschwörungsideologischer Herausgeber des Compact-Magazins, schrieb in der Erstausgabe von Compact, man wolle eine „Volksfront“ aus der Gesamtbevölkerung aufbauen, damit diese die fehlende Souveränität erkämpfe. Die Linke müsse mit der Rechten einen „offenen Dialog“ führen und umgekehrt, um „Dogmen“ zu überwinden und „Tabus“ zu brechen und so einen gemeinsamen „Widerstand“ gegen jene Mächte zu ermöglichen, die das deutsche Volk beherrschten.

Er machte damals auch kein Hehl daraus, wer diese Fremdmächte waren: die angeblich vom Zionismus bestimmten USA und das dort angeblich von wenigen Personen gelenkte Kapital der „Ostküste“. Dafür wird jedes Werkzeug genutzt, vor allem die Sozialen Medien. Und nicht nur Elsässer verortet die Probleme im Kapital der US-amerikanischen Ostküste. Die verkürzte Kapitalismuskritik mancher „Linker“ zielt in eben jene Richtung … wenn vielleicht auch nicht ganz so gezielt.

Bestimmt wird die Debatte maßgeblich von pro-russischen Akteuren.

Patrik Gensing schrieb im Vorwort seines Buches:

„Aufrufe zur Gewalt, Freude über den Tod von Menschen, Verachtung von Minderheiten: All dies ist längst Alltag in deutschen Netzwerken. Die politische Debatte verroht.[…] Angefeuert wird diese hitzige Atmosphäre von prorussischen Strategen, die ein enges Bündnis mit Putins Russland propagieren. Resultat ist eine Querfront, die ein autoritär-nationalistisches System durchsetzen will.“

Patrick Gensing: Rechte Hetze im Netz – eine unterschätzte Gefahr. Rowohlt, 2016, S. 2

All das hatten wir schon. Querfronten gab es schon früher: In der Weimarer Republik den rechtsgerichteten Hofgeismarer Kreis der SPD, der eine Annäherung an den deutschnationalen Konservatismus und an den linken Flügel der NSDAP verlangt und gefördert hat, oder publizistisch betrachtet der Juni-Club und der Tat-Kreis, die einen autoritären Führerstaat heraufbeschwören wollten, sich gegenüber Russland weiter öffnen wollten. Heute sind es vor allem Verschwörungsideologen und Leute wie Anselm Lenz und Boris Reitschuster – Zacharias Fögen, ein ehemaliger Reitschuster-Autor, ist bei „Die Linke“ -, Kremlin-finanzierte, pseudounabhängige Medien wie RT-Deutsch, Sputnik oder Redfish und zeitgleich nationalspinnerische Kampfblätter wie Compact, Medien wie KenFM und Nachdenkseiten, die den medialen Querfront-Diskurs anführen, auf den die ach-so-grundgesetztreuen Bürger unter den Demonstranten so gerne hereinfallen.

„Wahrheit statt Lügenpresse.“
„Überwindung der liberalkapitalistischen Klassengesellschaft“
„Volk gegen Eliten“
„Durch Sozialismus zur Nation“

Wer kann denn fehlerfrei zuordnen, welche der Sprüche aus der Weimarer Republik stammen?

Frei nach Carl von Ossietzky: „Neben Reitschuster und RT-Deutsch, neben KenFM und Compact repräsentieren der Demokratische Widerstand und 2020News am deutlichsten die Verwirrung liberalistischer Bürger, die sich vor dem angeblichen drohenden ökonomischen Weltuntergang laut schreiend und mit ekstatischen Gebärden dem Rechtsradikalismus in die Arme werfen“. Okay, sehr frei. Carl von Ossietzky sagte es anders. Aber es passt.

Querfront führte in der Vergangenheit zu nichts Gutem. Nichts wahrhaft Anständiges kann entstehen, wenn Menschen in destruktiver Besessenheit, panischer Angst und geistiger Benommenheit anderen hinterherrennen – und dabei glauben, sie würden selbst denken.

Menschen, die Demokratie nicht verstehen, Menschen, die in der Geschichte Deutschlands nichts Schlimmes erkennen können, Menschen, die glauben, die Geschichte sei von den Siegern gegen das deutsche Volk umgedeutet worden, sie erkennen keine Zusammenhänge zwischen Querfronten in der Weimarer Republik und heute. Aber ihre Anführer tun es. Denn die sagen ihnen, die Geschichte sei falsch. Es sei gar nicht so schlimm gewesen. Der 8. Mai 1945 sei kein Tag der Befreiung gewesen, sondern der Tag der Versklavung. Und in ihrem „Ich habe es doch immer geahnt“-Rausch, der ihnen per Bauchgefööööhl sagt, sie seien nicht selbst schuld, wenn sie nicht erfolgreich, nicht hübsch, nicht berühmt seien, der ihnen sagt, sie seien unterdrückt, in diesem Rausch nicken sie, teilen unreflektiert widerlichste Posts und heben auch irgendwann wieder den rechten Arm. Denn die Wahrheit zählt nichts, wenn Charisma von wenigen und das eigene Bauchgefühl gewinnen. Wenn jede Verdrehung geglaubt wird. Unwidersprochen bleibt. Wie dieser Post bei dieBasis zeigt.

Menschen, die diesen Staat verachten, weil sie nicht verstehen, warum er genauso föderal sein muss, wie er ist, träumen davon, das Parteiensystem zu beseitigen und direktere Demokratie einzuführen. Utopien wie die von der Partei dieBasis oder „Die Direkte“ lassen sich nur vollständig umsetzen, wenn Föderalismus nicht existiert.

Das ist Querfront. Gemeinsame Ziele, das gemeinsame Brechen von Tabus – wozu auch das Abspielen von Hitlerreden vor KZ-Gedenkstätten zählt. Und Querfront führt zum autoritären Führerstaat, wie ihn Dr. Krall proklamiert, dessen „Die Bürgerliche Revolution“ von Querdenkern gelesen wird, zum autoritären Führerstaat, den einst auch die Querfrontler in Weimar wünschten – nur eben nicht so, wie er dann kam: Viele hatten nicht mit Hitlers Machtgeilheit und Alleinführungsanspruch gerechnet. Doch einige andere hatten – und Querfront-Bestrebungen während der Weimarer Zeit haben den Weg bereitet für NSDAP und das Dritte Reich.

Diese Leute wähnen sich in der Mehrheit, weil der Rest schweigt. Sie wähnen sich auf der sicheren Seite, sie halten sich tatsächlich für Revolutionäre. Linksgrüne Esos marschieren neben den Rechten vom III. Weg und hinter geschlossenen Reihen von Hooligans. Sie alle zusammen laufen einer Gruppe von Menschen nach, deren wahre Beweggründe sie nicht einmal im Ansatz begreifen. Wer glaubt, dieBasis, Die Direkte oder die Freie Linke würde etwas in ihrem Sinne bewirken, der gehört zu eben jenen Mitläufern, die später wieder nichts gewusst haben wollen. Querfront ist der feuchte Traum der Rechtsnationalen, aber auch der unreflektierten Linken. Und wenn einer mit wirklich Charisma vor die Querfront tritt, dann wollen sie auch wieder den totalen Krieg.

Der Neonazi Michael Kühnen sagte 1989 auf eine Interviewanfrage: Linke Autonome und Neonazis verbinde der Kampf gegen die bürgerliche Ordnung, die Dekadenz und die Demokratie. Daher könnten sie durchaus gemeinsam dagegen kämpfen. „Wenn wir das Schweinesystem beseitigt haben, können wir immer noch untereinander ausschießen, welche Ordnung besser ist.“

Warum soll Querfront nur an den Extremen funktionieren? Wir erleben gerade Querfront im bürgerlichen Lager.

NRW-Verfassungsschutzchef Burkhard Freier glaubt nicht, dass sich die „Querdenker“-Bewegung nach der Corona-Pandemie zerstreuen wird. „Es muss damit gerechnet werden, dass die aktuelle Anti-Corona-Bewegung sich jederzeit auch ein anderes Vehikel suchen wird, um die demokratiefeindliche und sicherheitsgefährdende Haltung gegenüber Staat und demokratisch legitimierten Einrichtungen und Institutionen zu zeigen“, sagt er der „Kölnischen Rundschau“. Versuche von links wie rechts, die Corona-Proteste zu instrumentalisieren, um so das Vertrauen in die demokratische Ordnung zu erschüttern, stoßen zunehmend auf Sympathie bei bürgerlichen Gegnern der Corona-Maßnahmen, deren Skepsis „sich mehr und mehr zu einer demokratiefeindlichen und sicherheitsgefährdenden Haltung“ wandele.

„Die BRD ist nicht reformierbar, deswegen muss das BRD-System weg“, sagen einige.

Und so radikalisieren sich die einen, die anderen sammeln sich in Parteien wie „dieBasis“. Was keinen großen Unterschied macht.

Geschichte wiederholt sich. Um Corona ging es dabei nie. Corona ist Vehikel um Querfront-Ideen in die bürgerliche Mitte zu transportieren. Denn Querfront spielt mit Verunsicherung und Angst. Hat sie immer getan.