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Wo war Anonymous eigentlich bei Artikel 13?

Diese Frage haben wir in den letzten Wochen wieder öfters gelesen. Ein kleiner Rückblick auf 2019.

Anfang Mai 2021 hat der Rechtsanwalt Christian Solmecke über die „Operation Tinfoil Aktion“ gegen dieBasis auf Youtube berichtet:

Natürlich liest auch „Anonymous“ Kommentare unter bestimmten Youtube-Videos, und des öfteren ist uns bei dem Video von Solmecke die Frage „Ja toll, wo war Anonymous denn bei Artikel 13?“ in den Kommentaren aufgefallen. Solmecke hatte 2019 schon einige Videos zum Thema Artikel 13 & Uploadfilter gemacht.

Eigentlich müssen wir uns nicht rechtfertigen, denn wir waren dabei! Wir haben organisiert, aufgerufen mitzuwirken und einige Dinge auf unsere Art geregelt, wie immer.

Aber im Jahr 2019 bezüglich Artikel 13 (Artikel 17) & Uploadfilter war vieles anders – die übliche Vernetzung (wie man diese z.B. von ACTA-Zeiten kannte) war nicht so leicht zu handhaben.

„Nein, wir wollen nicht mit Anonymous zusammenarbeiten!“

Ja, ihr lest richtig. Diese Antwort kam von den Hauptorganisatoren der Proteste, bekannt als „Save the Internet„(STI). Viele kennen STI noch als riesigen Discord Server mit mehreren tausend Nutzern aus dem Jahr 2019, wo man sich gegen Artikel 13 & Uploadfilter organisiert hatte. Dabei hatte AnonNewsDE lediglich eine Anfrage via Mail an Savetheinternet.info gestellt „Wo können wir aushelfen, braucht ihr Flyer Material? Das Kollektiv hat gerade massig Zulauf“. Bevor der STI Discord Server überhaupt fertig strukturiert war, hatte Anonymous halt schon (damals aktiv auf einem IRC Server) mehr als 20 verschiedene Flyer und knapp 50 Grafiken zum Thema „Artikel 13“ angefertigt und wollte diese einfach zur Verfügung stellen.

Als man genauer nachgefragt hat, warum man nicht mit Anonymous zusammenarbeiten will, kam: „Anonymous ist sehr rechts und verbreitet Verschwörungstheorien“.

Klingt lustig, wenn man weiß, dass man uns hier immer etwas links verortet und wir uns mit OpTinfoil eben genau gegen Verschwörungsmythen positionieren. Aber ja, in der Tat gibt es da Abspaltungen & Gruppen, welche dies machen. Auch heute.

Aber hey, wenn man nicht mal weiß, wer AnonNewsDE ist, wo war man denn in den letzten Jahren unterwegs? Zumindest nicht in den Weiten des Internets und nicht im Bereich „netzpolitisches“. Egal ob ACTA, Operation BigBrother, Operation Bestandsdatenauskunft oder „international day of privacy“ irgendwo wird man mal von „dieser Art Anonymous“ gehört oder gelesen haben?

Nachdem sich STI dann auch endlich mal genauer über Anonymous erkundigt hatte, konnte man wenigstens eine Entschuldigung lesen: „Ja okay, es war uns nicht bewusst wie komplex das mit Anonymous ist, tut mir Leid!“ Doch man musste direkt hinterher schieben: „Wir wollen das trotzdem nicht, nicht persönlich gemeint! Hacks & DDoS würde nur unserem Ruf und der Bewegung schaden…“.

Funfact: Wir wollten gar nicht offiziell bei diesem Projekt mitwirken, wir wollten nicht mal erwähnt werden (daran sind wir eh schon gewöhnt, dass man unsere Arbeit nicht mal mit einer Erwähnung respektiert „Hallo Tagesspiegel!“ an dieser Stelle).

Man wollte nur seine Hilfe & Reichweite anbieten, mehr eigentlich nicht. Aber es geht noch weiter!

„Keine Partei Flaggen oder politischen Symbole bei den Protesten!“

Ja, so ließ es STI dann verkünden, als es langsam auf die ersten Straßenproteste zuging. Natürlich ist es das gute Recht der Demo-Veranstalter, so etwas zu fordern. Aber als dann langsam durchsickerte, dass man auch keine Guy Fawkes Masken oder Anonymous-Symbolik auf den Demos sehen will, war man schon leicht bei dem „I’m fucking pissed“ Level-Up. Klar, Masken erstmal auszuschließen, ist wegen des Vermummungsverbots okay, aber trotzdem hätte man in Absprache mit der Polizei bestimmte Symbole, wie z.B. Guy Fawkes Masken, erlauben lassen können. Hatte bisher auch in der Vergangenheit super geklappt, und es gab NIE Probleme mit der Polizei.

Am Ende hieß es einfach: „Anonymous Symbolik ist zu politisch!“

Wait fucking what? Wenn man den ganzen Tag auf einem Minecraft Server hockt und sich vorher nie mit netzpolitischen Dingen auseinandergesetzt hat … ach lassen wir das, wir wollen im Nachhinein niemanden mehr fronten oder beleidigen, es liegt nun über 2 Jahre zurück.

Unter den Veranstaltern einzelner Städte und Orte waren auch viele Piraten unterwegs, und diese haben den anstehenden Beef schon kommen gesehen. Wir standen dann mit einzelnen Demo-Veranstaltern im Kontakt (auf Discord und via Mail) und man bat uns, keine verbrannte Erde zurückzulassen, man hat uns sogar Komplimente gemacht: „Wir wissen ja dass ihr die Guten seid, ACTA 2012 war echt super mit eurer Hilfe zu organisieren aber nun ist halt 2019 … bitte bleibt cool“. Einige der Anons waren natürlich mega angepisst, doch hatten wir nicht die Absicht, mitten in Demo-Vorbereitungen Beef zu starten. Denn auch STI und alle, welche daran beteiligt waren, haben einen guten Job gemacht und große Proteste auf die Beine gestellt.

Nun wisst ihr warum man auf den Demos 2019 so wenig Guy Fawkes Masken gesehen hat. Nicht, weil Anonymous nicht geholfen hat, sondern weil es nicht erwünscht war. Wir haben übrigens noch genug Screenshots & Mails der ganzen Sache. Es bringt aber mal gar nichts, da jetzt noch ein großes Fass nach 2 Jahren zu öffnen, danke.

Ebenfalls war die internationale Kommunikation seitens STI sehr schlecht und einzelne Bewegungen aus Europa wurden teilweise ausgeschlossen oder ignoriert, obwohl diese für die selbe Sache gekämpft haben: Internetfreiheit.

Die Demos in Nürnberg zum Beispiel wurden von einem jungen Piraten und NGOs auf die Beine gestellt, unabhängig von STI. Dort wurden unter anderem auch Veranstalter aus Europa eingeladen, um Reden zu halten. Man hat sogar STI eingeladen dort zu sprechen, aber die wollten einfach nicht.

Teilweise durfte man nicht mal Links zu Anonymous Tweets & Aktionen auf dem STI Discord teilen, damit man ja brav von Anonymous distanziert bleibt. Dies wurde aber recht schnell wieder rückgängig gemacht, als einige User in den Chatrooms angepisst reagiert haben, und man hat es am Ende einfach hingenommen.

/b/ro Tipp: Nur weil jemand einen Link zu einem Anonymous-Tweet auf deinem Discord teilt, stürmt am nächsten Tag die Polizei nicht einfach deine Wohnung, weil du überkriminell bist. [insert facepalm image here]

Am Ende hatte STI dann aber doch hier und da einzelne Aktionen von uns unterstützt und sogar Flyer von uns akzeptiert (man hatte sich darauf geeinigt, bei einigen Flyern die Anonymous Symbolik wegzulassen). Die Ideen rund um Paperstorms 2019 (massives flyern, um Demos größer werden zu lassen) kamen übrigens von Anonymous:

Wo war Anonymous denn jetzt?

Es blieb uns ja so gesehen nichts anderes übrig, als einfach unser Ding zu machen. Leute beschweren sich „Hacks & DDoS schaden nur dem Ruf“, wollen dir aber keine andere Möglichkeit anbieten, sich anders zu beweisen. Also macht Anonymous einfach Anonymous Dinge und man hatte 2019 sehr viel Spaß:

Und noch viele andere Dinge. Die Liste würde sehr lang werden, wenn man jede (kleine) Aktion auflisten würde. Auf Twitter könnt ihr euch selbst ein Bild machen, wenn ihr nach #op13 oder #opcopywrong sucht.

Schlusswort:

Wir wollen mit dem Artikel hier den Leuten von STI keine Schuld zusprechen, vor allem nicht nach 2 Jahren. Wir wollten nur auf die noch immer kommenden Fragen wie „Wo war denn Anonymous bei Artikel 13????“ eingehen. Dieser Artikel wurde aus der Sicht von AnonNewsDE geschrieben und ist als „Meinung“ gekennzeichnet (Kategorie: Meinungsecke).

Und an die, die glauben „Wenn Anonymous mitmacht, werden wir gewinnen“: Anonymous ist kein Erzengel des Internets, welcher aus dem Bits&Bytes-Himmel hinab steigt und sagt „Nun ist das Internet wieder frei“. Mit solch einer Denkweise wird man am Ende meist enttäuscht. Denn Artikel 13 (17) wurde nicht zugelassen, weil Anonymous zu schwach war, sondern weil z.B. die Interessen der Lobbyverbände hinter dem unmodernen Urheberrecht einfach zu stark waren.

In diesem Sinne: Danke an alle, welche gegen Uploadfilter im Jahr 2019 gekämpft haben. STI hatte ein Riesenprojekt auf die Beine gestellt und viele Menschen auf die Straße gebracht. Beim nächsten Mal will man einfach nur hoffen, dass die (internationale) Kommunikation besser klappt, Selbstdarsteller („Hallo Dominic!“) in den Hintergrund rücken, um Bündnissen selbst nicht im Weg zu stehen (unabhängig von Anonymous). Es kann sehr hilfreich sein, mal was „vom Kuchen abzugeben“ und nicht immer alles für sich zu beanspruchen, erleichtert die Zusammenarbeit und vergrößert die Reichweite.