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Fake News Homburg, Covid-Tote & die Lebenserwartung

Dass es Stefan Homburg mit der genauen Darstellung von Fakten nicht so genau nimmt, ist klar. Trotzdem muss man ihn mal wieder einfangen.

Homburg ist bekannt dafür, Zahlen in die Welt zu hauen, die entweder aus dem Zusammenhang gerissen sind oder falsch berechnet oder lückenhaft interpretiert sind. Mittlerweile hat er sich für Aluhut-Träger zur verlässlichen Quelle entwickelt, die Tatsachen in fehlerhafter Weise unter die Leute bringt. Er nennt das dann „Versachlichung der Debatte“.

So auch heute Morgen wieder.

Daran ist nichts „versachlichend“. Man kann sich gern aussuchen, ob dieser Mann einfach nur zu dumm ist, Zusammenhänge richtig darzustellen (kann nicht sein, er ist doch Professor), ob er sie einfach nicht versteht (kann nicht sein, er ist doch Professor) oder ob er einfach mit Gewalt und in vollem Bewusstsein Zahlen so verbreitet, dass sie in seine Aussagen passen und von seinen Followern gern verbreitet werden.

Wir gehen von letzterem aus. Homburg ist mittlerweile so dermaßen famegeil, dass ihm alles egal ist.

Warum ist das, was er getwittert hat, zumindest missverständlich? Nun, wir sind hier keine Statistiker, aber das an seiner Angabe was mindestens unvollständig ist, im Grunde aber irreführend, merken selbst wir.

Die durchschnittliche Lebenserwartung, die er zitiert, gilt nicht als „Höchstalter“, aber offensichtlich ist Homburg der Auffassung, Menschen, die die Lebenserwartung überschritten haben, seien einfach überfällig? Machen wir einfach keinen Lockdown, denn „die Alten wären ja eh gestorben“ hieß es schon während der ersten Welle. Aber die durchschnittliche Lebenserwartung ist kein fixer Wert. Das weiß Homburg, aber er sagt es nicht, weil es nicht in seine Falschinformationskette passt.

Menschen im Alter von 0 Jahren haben eine Lebenserwartung von 83,4 Jahren (Frauen) bzw. 78,6 Jahren (Männer). Danach sinkt die Lebenserwartung mit zunehmendem Alter. Logisch? Logisch. In Deutschland haben Menschen im Alter von 80 Jahren aber immer noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 8,1 (Männer) bzw. 9,6 Jahren (Frauen) Jahren, sie werden also im Durchschnitt 88 oder 89. Wenn nicht etwas Dramatisches dazwischen kommt.

Bildquelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1783/umfrage/durchschnittliche-weitere-lebenserwartung-nach-altersgruppen/

Noch 8 bis 10 vielleicht gute Jahre? Warum sollte man – laut Homburg – Menschen mit 80 nicht mehr ihre vielleicht noch guten 8-10 Jahre genießen lassen? Sogar 90jährige haben noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von ~4 Jahren und werden im Schnitt 94.

Homburg ist aber so dämlich drauf, dass er suggeriert, ein Mensch, der mit 84 Jahren stirbt, sei „drüber“? Er würde sicher auch behaupten, 80jährige Frauen hätten nur noch statistische 3,4 Jahre. Aber nein, wie oben belegt, ist das nicht so. Das ist ein Denkfehler, den viele machen, aber Homburg sollte die Wahrheit kennen.

Doch abseits jeder Statistik: rein moralisch sind wir verpflichtet, so viele Covid-19-Tote zu vermeiden, wie es geht. Nein? Jeder Mensch hat einen Anspruch auf Leben.

Dann tut er so, als werde bei einem durchschnittlichen Sterbealter im Zusammenhang mit Corona von 84 Jahren in den unteren Altersgruppen nicht gestorben. „Sterben in hohem Alter kann man nicht vermeiden“? Professor Homburg mag gerne erläutern, in welchem Alter man Sterben vermeiden kann. Sicher sterben ältere Menschen überdurchschnittlich häufiger an oder mit Komplikationen durch Covid-19 als Jüngere, einfach weil sie anfälliger sind, der Allgemeinzustand schlechter und die Anzahl der Vorerkrankungen größer. Aber das bedeutet nicht – und das verschweigt er -, dass Kinder, junge Menschen und Menschen mittleren Alters nicht sterben können an Covid-19.

So sieht die Verteilung der Toten nach Alter aus.

Bildquelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1104173/umfrage/todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-in-deutschland-nach-geschlecht/

Die Deutschen sind aber insgesamt ziemlich alt. 2019 waren über 50% der Bevölkerung älter als 40 Jahre (Gesamtbevölkerung Deutschland 2019: 83,167 Mio.)

Irgendwie logisch, dass bei den dargstellten Fakten das durchschnittliche Alter der Covid-19-Toten sehr hoch ist.

Sterben im Alter kann man nicht vermeiden? Die Infektion mit dem Coronavirus und dadurch das Sterben an Covid-19 kann man unter Umständen vermeiden und genau darum geht es unter anderem beim Lockdown. Das, was Homburg hier vertritt, ist widerlichster Sozialdarwinismus. Armselig im Denken und abartig in der Aussage.

Todeszahlen sind ein Faktor – aber nicht der wichtigste

Überhaupt ist Homburgs ständige Fokussierung auf die Todeszahlen völlig an der Realität vorbei. Bei Covid-19 geht es nicht nur um die Vermeidung von Todesfällen, sondern auch darum, möglichst Erkrankungen zu vermeiden. Denn auch bei überstandener Covid-19-Erkrankung ist für viele Betroffene nicht alles Blume.

Post-Covid und Long Covid oder „Langzeit-COVID-Syndrom“ spielen hier eine Rolle, die Langzeitfolgen dieser Erkrankung und die Tatsache, dass sogenannte „long hauler“ oft noch Monate nach der akuten Phase Symptome wie Fatigue und Atembeschwerden haben. Und wir können im Moment nur erahnen, welche Auswirkungen dies auch auf die jüngere Bevölkerung haben wird und damit auch auf die Volkswirtschaft. (Mehr Infos dazu: im Ärzteblatt und beispielsweise hier bei Quarks.)

Da Long Covid auch bei jungen Gesunden und bei Spitzensportlern nach akuter COVID-19-Erkrankung auftreten kann, sogar wenn sich anfangs nur leichte Akutsymptome gezeigt hatten, ist die Vermeidung der Coronavirus-Infektion und die Meisterung der Pandemie durch geeignete Prophylaxe-Massnahmen wie social distancing, „source control“, persönliche Schutzmaßnahmen und die Impfung doppelt wichtig.

https://de.wikipedia.org/wiki/Long_Covid

Oder wie Dr. Stallmach von der Post-Covid-Ambulanz in Jena es beschreibt:

Patienten, die ambulant eine Covid-19-Erkrankung überstehen und sich bei uns in der Post-Covid-Ambulanz vorstellen, klagen zum Beispiel über chronische Müdigkeit im Sinne eines Fatigue-Syndroms, über Depressionen, auch über Konzentrationsstörungen. Bei Konzentrationsstörungen denkt man jetzt vielleicht an ältere Menschen, die etwas vergesslich sind. Das Erstaunliche ist aber, dass das Durchschnittsalter der Patienten bei 57 Jahren liegt. Die jüngste Patientin ist 20 Jahre alt, der älteste ist 93. Das ist also ein ganz breites Spektrum.

https://www.mdr.de/nachrichten/ratgeber/gesundheit/hg-post-covid-ambulanz-corona-spaetfolgen-100.html

Und:

Patienten mit schwerer oder schwerster Infektion haben in 50 bis 60 Prozent der Fälle Symptome nach der Erkrankung, die das tägliche Leben beeinträchtigen – wo die Menschen wirklich sagen: ‚Ich habe die Erkrankung überwunden, aber ich bin nicht gesund.‘ Bei Patienten mit leichteren Infektionen sind es 20 Prozent der Fälle. 

https://www.mdr.de/nachrichten/ratgeber/gesundheit/hg-post-covid-ambulanz-corona-spaetfolgen-100.html

Wir warten diesbezüglich übrigens immer noch auf die Ergebnisse zu unserer Aufgabe von damals, Berechnung der Auswirkungen auf die Volkswirtschaft mit verschiedenen Parametern.

Gestern warf uns Homburg „systematisches Bashing aller Lockdown-Skeptiker“ vor. Das machen wir nicht, wir stehen auf freie Meinungsäußerung und jeder darf den Lockdown kritisieren. Kein Problem.

Aber bei Leuten, die andere wissentlich und willentlich in die Irre führen, indem sie Zahlen und Fakten falsch aufbereiten, Zusammenhänge nicht oder nicht richtig darstellen oder einfach nur dummes Zeug von sich geben, ja, da sind wir dabei. Wir gehen gegen Desinformation vor, gegen bewusst lancierte falsche Fakten. Und gegen die Verbreiter. Und das, lieber Herr „Professor“, machen wir alles ohne Steuer- und Pharmagelder. Ganz ohne Spenden. Ohne Bezahlung.

Homburg steht mit auf der Liste. Und wird es weiterhin.