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Was vom Tage übrig blieb

Was vom Tage übrig blieb: 20. Juli

Verhaftete Sänger, Flussvertiefungen, Burning Woman Events, eine Stadt, in der man über Braun schweigt und natürlich der 20. Juli – die Hitze macht allen zu schaffen, aber da müsst ihr durch.

Heute ist der 20. Juli, der Jahrestag des gescheiterten Jahrestags des Attentats auf Adolf Hitler. Und natürlich gedenkt die gesamte Politerie wieder Graf von Staffenberg für seinen heroischen Versuch. Leider ist dieser Tag nur ein Jahrestag eines gescheiterten Attentats, im November wird man nichts zu

Georg Elser

und seinem leider gescheiterten Attentat im Bürgerbräukeller in München hören.

Georg Elser, nach ihm werden Straßen und Plätze benannt, es gibt eine Gedenkstätte, aber in den Worten und Gedanken deutscher Politiker spielt der Mann, der es ganz allein fast geschafft hätte, für Deutschland das Schlimmste zu verhindern und nur ganz knapp scheiterte, weil Hitler den Zeitplan umstellte, kaum eine Rolle. Seit Jahren nicht.

Stattdessen wird in Deutschland ein Mann glorifiziert, dem der Schuh des demokratisch gesinnten Antifaschisten so gar nicht passt. Und das sieht dann oft so aus am 20. Juli:

Nein, nein und nochmals nein, Claus Philipp Maria Schenk Graf von Stauffenberg war weder Demokrat noch ein Gegner des Nationalsozialismus.

An seine Frau schrieb er aus Polen:

„Die Bevölkerung ist ein unglaublicher Pöbel, sehr viele Juden und sehr viel Mischvolk. Ein Volk welches sich nur unter der Knute wohlfühlt. Die Tausenden von Gefangenen werden unserer Landwirtschaft recht gut tun. In Deutschland sind sie sicher gut zu brauchen, arbeitsam, willig und genügsam.“

So jemanden ehrt die deutsche Politik? Jahr für Jahr? Jemanden, der mit der Rassenideologie des Nazi-Regimes viel zu lange keine Probleme hatte? Der bis 1943 mitmachte? Und dann nur ausstieg, um die Wehrmacht vor weiterem Schaden zu bewahren?

Elser verweigerte anders als Stauffenberg schon 1933 den Hitlergruß. Er verließ den Raum, wenn im Radio Hitlerreden übertragen wurden. Am Anfang ging es ihm vor allem um die sich verschlechternden Lebensbedingungen. Doch später wollte er den Krieg stoppen, der sich gerade zum Weltkrieg ausweitete, den Krieg, in dem Stauffenberg noch sehr enthusiastisch kämpfte.

Elser brauchte 30 Nächte, in denen er sich im Bürgerbräukeller einschließen ließ, um eine Säule auszuhöhlen, damit sein Sprengsatz darin Platz fand, eine Säule direkt hinter Hitlers Rednerpult. Die Zeitbombe explodierte pünktlich zur eingestellten Zeit, aber Hitler hatte 13 Minuten vorher den Bürgerbräukeller verlassen.

Georg Elser wurde am 09. April 1945 im KZ Dachau auf Befehl Hitlers von einem SS-Mann erschossen.

Leute wie er, nicht die Stauffenbergs, wären eine Erwähnung wert. Aber vielleicht haben wir die auch immer nur übersehen, am jeweiligen Jahrestag im November?

Denkt man an den Nationalsozialismus, dann fällt oft das Wort Diktatur. Letztlich war es das, obwohl die NSDAP demokratisch gewählt war. Und letztlich ist auch Russland eine Diktatur, denn sie ist gekennzeichnet dadurch auch, wie mit Protesten umgegangen wird.

Der Opensänger

Wadim Tscheldijew

wurde wegen Teilnahme an Corona-Protesten verurteilt.

Seit zwei Jahren klopfen Maßnahmengegner, Reichsbürger Querdenker immer wieder bei der russischen Botschaft an, bitten um Hilfe gegen die ach so schreckliche Diktatur, in der sie hier bei uns leben. Nicht mal ihre Meinung dürften sie sagen, krakeelen sie auf ihren Demos, fühlen sich vom Staat unterdrückt.

Einige gehen sogar soweit Putin zu bitten, Deutschland oder wenigstens Sachsen zu befreien. Sogar Reitschuster, der es eigentlich besser wissen sollte, schlägt immer wieder in diese Kerbe. Leute wie Paul Brandenburg, Schiffmann sehen überall Faschisten.

Gut, dass sie alle keine Opernsänger in Putins Russland sind.

Der Verurteilte Wadim Tscheldijew hatte laut dem am Dienstag verkündeten Urteil des Gerichts in Rostow am Don vor mehr als zwei Jahren in der Teilrepublik Nordossetien im Nordkaukasus zu Demonstrationen für eine Rücknahme der „Selbstisolation“ in der Corona-Pandemie aufgerufen.

Das ist ungefähr so wie ein Ende des Lockdowns zu fordern.

Bei den Kundgebungen in der nordossetischen Hauptstadt Wladikawkas waren auch Forderungen nach einem Rücktritt der Regierung und nach Neuwahlen laut geworden. Als Uniformierte versuchten, die Proteste aufzulösen, kam es zu Zusammenstößen.

Tagesspiegel

Kann man sich so vorstellen wie in 2020 in Berlin? Jo, ungefähr.

Ein Gericht verurteilte Tscheldijew wegen Extremismus, ihm drohen 10 Jahre Straflager. Und das ist heftig. Zu heftig. Und das ist nur eine einzigeVerurteilung, die bekannt ist. Auf Protesten gegen Corona und gegen den Ukraine-Krieg hat es hunderte Verhaftete gegeben in Russland.

Inhaftierte bei uns wegen Protest allein: Null.

Nicht einmal Diktatur können wir richtig hier in Deutschland.

Dabei haben wir hier auch sowas ähnliches wie Sänger im Wi(e)derstand. Zum Beispiel

Björn „die braune Banane“ Winter

den vor Corona kaum jemand kannte und der danach auch schnell wieder dem kollektiven Vergessen anheim fallen wird.

Der Björn ist ja umtriebig, lässt sich aber auch, wie neulich festgestellt, für seine Auftritte gern schwarz bezahlen.

Und natürlich stellt er künstlerische Ansprüche an den Widerstand.

Für das, was er an Gesang bietet, braucht es weder Bühne noch Mikrofon eigentlich.

Ansonsten halt das immergleiche Gelaber von einer angeblich ideologisierten Mehrheit, die aber auch sowas von nicht verstehen will. Der Björn ist schon oft ziemlich verzweifelt.

Womit wir jetzt nicht gesagt haben, dass die braune Panzerbeere Björn eingesperrt gehört. Nicht mal wegen seiner Musik.

Jemanden einsperren, über Jahre, nur weil er protestiert, so dumm es auch sein mag, das würden unsere Behörden gar nicht mitmachen. Die lassen ja auch braunes Pack in Ruhe laufen.

In der

Stadt Braunschweig

macht man ja insgesamt seinem Namen alle Ehre. Die Polizei hat gestern einen fröhlichen Shitstorm bekommen und das durchaus zu recht.

Ging um diesen Tweet zu einem Video, das Polizeigewalt dokumentiert.

Das ist natürlich weitestgehend Unsinn, Videos von Polizeieinsätzen im öffentlichen Raum dürfen angefertigt werden. Der „Abhörparagraph“ 201 StGB gilt im öffentlichen Raum nicht. Wie es sich hingegen mit dem Teilen verhält ist umstritten. Öffentliches Interesse besteht in jedem Fall.

Und wie sagt die Polizei dich immer so schön bei Forderungen nach mehr Überwachung? „Wer nichts zu verbergen hat …“?

Aber Braunschweig ist merkwürdig. In Braunschweig fragen sich die Menschen gerade, ob genug gegen Rechts getan wird. Während rechtsextreme Gruppierungen in Braunschweig unbehelligt aufmarschieren, durchsucht die Polizei überwiegend angeblich dem Linksextremismus anhängige Objekte.

Braunschweig ist ohnehin ein seltsames Pflaster. Nicht nur die Polizei, auch die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ausfälle. Erinnert ihr euch noch an „Feuer und Benzin“ für die „Judenpresse“? Das eingestellte Verfahren, weil man keinen Anfangsverdacht für Volksverhetzung oder Beleidigung erkennen wollte?

„Die Worte ‚Jude‘ und ‚Judenpresse‘ sind insoweit schon objektiv keine Beleidigungen – ebenso wenig wie ‚Christ‘ oder ‚Moslem‘“, erklärte ein Pressesprecher der Staatsanwaltschaft in einer Stellungnahme. Die „Bezeichnung ‚Pack‘“ wäre durchaus eine Beleidigung, doch die Geschädigten hätten hierzu keinen Strafantrag gestellt, führte der Pressesprecher aus.

https://taz.de/Staatsanwaltschaft-muss-doch-ermitteln/!5766031/

Bundesverband RIAS schrieb dazu:

Diese Argumentation ignoriert, dass im antisemitischen Weltbild das Judentum per se für alles Negative steht. Daher ist auch die Markierung nichtjüdischer Menschen als „Juden“ als antisemitische Diffamierung zu bewerten. Die Parole „Feuer und Benzin für euch“ zeigt zudem Kieses antisemitischen Vernichtungswillen. Dass Kiese gerade Journalist_innen als jüdisch markiert, ist keineswegs Zufall. Insbesondere im Nationalsozialismus wurde die demokratische Presse mit dem Judentum identifiziert

Jahresbericht Antisemitische Vorfälle in Deutschland 2021, Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e. V. (Bundesverband RIAS)

Letztlich ordnete der Generalstaatsanwalt an, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.

Nicht der einzige Fall dieser Art.

Braunschweig macht seinem Namen alle Ehre. Nicht im Positiven.

Aber hey, es ist heiß, wer braucht schon Positives. Eis wäre richtig.

Aber bleiben wir bei der Sache: Auch keinen sonderlich positiven Eindruck mach die Verwendung des Namens

Simon Wiesenthal

vom Simon Wiesenthal Center in Los Angeles. Dieses listet beispielsweise Michael Blume, den Antisemitismusbeauftragten von BW als Antisemiten. Doch das ist jetzt nicht ein für uns zählender Kritikpunkt, auch wenn wir Michi eher so gar nicht als Antisemiten betrachten. Eher kritikwürdig ist, dass dieses Center ein mit starkem Rechtsdrall agierendes und von Trumpisten unterwandertes Gebilde geworden ist. Mittlerweile darf man dem Center schon keinen Glauben mehr schenken.

Naja, was heißt mittlerweile.

Das Simon Wiesenthal Institut in Wien ist die eigentliche Heimstätte und Erbe des Nachlasses von Simon Wiesenthal.

Nachdem Simon Wiesenthal schon zu Lebzeiten mit dem zunehmenden Rechtsdrall des nach ihm benannten Centers in Los Angeles zunehmend unzufrieden geworden war, hatte er seinen Nachlass dem von ihm mitbegründeten Institut in Wien vermacht. 

An der Konzeption des Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien (Vienna Wiesenthal Institute, VWI) war der im September 2005 verstorbene Simon Wiesenthal noch persönlich beteiligt.

Wenn also Querdenker und Schiffmannjünger oder wer auch immer auf das Center in Los Angeles verweist, wäre das wohl nicht im Sinne von Simon Wiesenthal. Stattdessen nutzen sie seinen Namen ungerechtfertigt zum Bashing oft Unbescholtener.

Momentan versuchen halt einige, Antisemitismus in ihrem Sinne umzudeuten und für ihre Zwecke zu nutzen, Leute wie Jan Fleischhauer springen darauf an.

Die Achse des Guten

ist laut Wikipedia ein im Spektrum der politischen Rechten verorteter Blog, für den Fleischhauer auch einst schrieb. Schon 2013 schrieb von Brandenstein

der Blog habe sich „nach rechts außen verschoben“ und sei „längst kein liberales Portal mehr“. Nach dem Ausscheiden von Michael Miersch und dessen Kritik an der Ausrichtung der Achse titelte Taz-Autor Christoph Baumgarten 2016, die Website sei „scharf rechts abgebogen“. Im Rahmen seines Sammelbandkapitels über Gegenöffentlichkeit im Wirtschaftsjournalismus verortete der Autor Lutz FrühbrodtDie Achse des Guten 2017 „aufseiten der politischen Rechten“. […] Roger de Weck bezeichnete 2020 Die Achse des Guten als „bekannteste[n] neurechte[n] Blog“.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Die_Achse_des_Guten

Während die Kritiker des Blogs ihre Kritik an den zunehmend den Staat deligitimierenden neurechten Inhalten und an der Bezeichnung der Corona-Impfung als Giftspritze festmachen, bezeichnen andere einschlägig Vorbelastete wie Jan Fleischhauer und Hallaschka diese Kritiker wiederum als Antisemiten, was sie an der Person Henrik M. Broder festmachen.

Peinlich für Fleischhauer, aber der driftet ohnehin gehörig ab, nicht erst, seit er vom Spiegel zum Focus gewechselt ist. Doch um Broder geht es bei der Kritik gar nicht. Broder selbst bringt seinen jüdischen Glauben vor und stellt den in den Fokus. Niemand sonst hatte das getan.

Naja. Da ist auf Twitter die richtige Blase angestochen.

Egal.

Im Fokus …

Im Fokus der Öffentlichkeit steht auch immer noch die Marie-Luise Vollbrecht, ihr wisst schon, die Biologie-Doktorandin mit TERF-Allüren. Wir gehen heute einmal mehr darauf ein, weil ein umtriebiger Kommentator hier unsere Wortwahl in Bezug auf Sifftwitter und TERF kritisierte und es als Beleidigung und Verleumdung empfand.

Nö.

TERF-Szene: Betroffene berichten von Anfeindungen und Drohungen

titelt heute ein Kommentar in der Frankfurter Rundschau. Und dieser Kommentar beleuchtet diese Szene und ihr agieren auf Twitter.

Ihr Verhältnis zu diesem Account formulierte die Biologie-Doktorandin Marie-Luise Vollbrecht Mitte Mai auf ihrem nicht mehr anonymen Twitter-Account @Frollein_VogelV (Frau Summer) folgendermaßen: „Gösser ist wie meine Mama meinte sehr frech und sehr derbe.“

Unter „sehr frech“ verstehen Nutzerinnen und Nutzer des Accounts, private Fotos und öffentlich nicht bekannte Details von Personen zu verbreiten, die sich für trans Rechte ausgesprochen oder übergriffige Aktivitäten von TERF-Aktivist:innen benannt hatten (TERF steht für Trans Exclusionary Radical Feminists).

https://www.fr.de/meinung/kolumnen/trans-menschen-doxing-transfeindlichkeit-terf-wir-wissen-wo-du-wohnst-91676977.html

Und deswegen ist die Auffassung, dass auch der biologisch in Teilen inkorrekte und unvollständige Vortrag von Frau Vollbrecht genau wie der von ihr mitverfasste Gastartikel in der Welt Teil einer gesteuerten TERF-Kampagne ist, gar nicht sooo weit hergeholt..

Siff ist Siff, Biologie ist Biologie, aber Frau Vollbrecht geht auf Einzelpersonen los, die nicht im öffentlichen Fokus standen, bis sie die Bühne betrat. Es wird Zeit für eine Entschuldigung ihrerseits, stattdessen verklagt sie mit Hilfe einer in der rechten Szene beliebten Kanzlei ihre Kritiker.

Für manche ist das Leben halt ein versumpfter Brackwassertümpel … für andere ein schneller rauschender Fluss.

Wenn er denn genug Wasser führt.

Wenn ein Fluss zu wenig Wasser führt, nicht wegen Hitze, sondern wegen Dürre und zu wenig Niederschlag, was kann man dann tun, damit die Binnenschiffahrt wieder arbeiten kann?

Frank Schäffler

vom 7-Percenter-Club FDP hat die Antwort.

Ist es wirklich gewollt, dass eine Partei mit solchen Pfosten in der Regierung rumtobt? Zu wenig Wasser in tieferem Flussbett ist immer noch zu wenig Wasser, nur weiter unten.

Ist auch international peinlich.

Wird aber allmählich kritisch mit der Dürreperiode. Zu wenig Wasser hatte neulich auch eine Feuerwehr, sie konnte nicht wirklich löschen, und die wird den Plan hier sicherlich nicht gut finden.

Burning Woman. „Das alte sterben lassen“. „Kraft zur Verfügung stellen“.

Okay.

Beim Burning Man wird immer eine große Figur aus Holz verbrannt aber bei der Schilderung dieser Damen – wer denkt da nicht sofort an den Film „The Wicker Man“ mit Nicolas Cage?

Ein Polizist, Edward Malus, wird überredet nach einem verschwundenen Mädchen zu suchen. Er findet sie auf einer Insel, auf der eine heidnische Sekte unter der Führung der dominanten Schwester Summersisle das Leben bestimmt – gefährliches Fruchtbarkeitsritual inbegriffen, bei dem ein Mensch in einer riesigen Statue aus Weidengeflecht, dem Wicker Man verbrannt wird.

Nachdem Malus die scheinbar gefangene Rowan von den Fesseln befreit hat, wird er nach dem gemeinsamen Fluchtversuch von ihr direkt in die Arme der schon auf ihn wartenden Dorfbewohner geführt und schließlich von diesen überwältigt. Erst jetzt registriert Malus, dass alles nur inszeniert wurde, um ihn auf die Insel zu locken, und dass nicht etwa Rowan, sondern er selbst als Opfer für gute Ernteerträge verbrannt werden soll. Man bricht ihm beide Beine, steckt seinen Kopf in eine Art Bienenkorb und sperrt ihn in den Wicker Man.

Er wird auch wirklich verbrannt. Und bekam keinen Kakao.

Nochmal zurück zum Video: genug Internet für heute, Leute.