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Was die Bundesregierung über die Instrumentalisierung der Corona-Demos weiß

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage: „Gefahr durch rechtsextreme und verschwörungsideologische Instrumentalisierung der Anti-Corona-Politik-Demonstrationen“

Abgeordnete wollten von der Bundesregierung in 40 Einzelfragen wissen, welche Erkenntnisse zur Gefahr durch rechtsextreme und verschwörungsideologische Instrumentalisierung der Anti-Corona-Demos vorliegen. Die Bundesregierung hat geantwortet. Insgesamt ergibt sich da für uns wenig Neues, aber es ist durchaus interessant.

Aus der Vorbemerkung:

Die massive Mobilisierung und zunehmende Beteiligung von rechtsextremen Hooligans und rechtsextreme Kampfsportlerinnen und Kampfsportlern an den Demonstrationen zeigt eine Entwicklung bei den Protesten gegen die CoronaMaßnahmen, die auf eine weitere Radikalisierung der Szene und eine zunehmende Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland hindeuten. Die fragestellende Fraktion ist davon überzeugt: Dieses Gefahrenpotential gilt es schnellstmöglich und umfassend zu analysieren. Ihm muss mit allen rechtstaatlichen Mitteln entgegengewirkt werden.

(Quelle siehe PDF unten)

Die Antwort datiert auf den 19.01.2021. Die Bundesregierung war wie immer stets bemüht, die an sie gestellten Fragen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu beantworten. Und wie immer hat sie zu vielen der Fragen keine Erkenntnisse.

Doch sind viele Fragen überraschend offen beantwortet und hatte viel mitzuteilen.

Beispielsweise zur Frage:

Welche rechtsextremen und gewaltbereiten Einzelpersonen und Gruppierungen sowie Personen aus dem Reichsbürger-Spektrum haben sich nach Kenntnis der Bundesregierung an den Demonstrationen am 7. und 21. November 2020 in Leipzig und am 18. November 2020 in Berlin beteiligt?

Antwort:

Im Vorfeld war aus verschiedenen Bereichen des Rechtsextremismus für die Demonstrationen mobilisiert worden.
Unter den Demonstrierenden befanden sich u. a. Mitglieder der rechtsextremistischen Parteien NPD, „Der III. Weg“, „DIE RECHTE“, Angehörige der rechtsextremistischen Hooligan-Szene und sonstige Akteure aus dem parteiungebundenen Spektrum sowie Personen aus dem Spektrum der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“.

Sie befanden sich unter den Demonstrierenden. Gut, wussten wir schon. Aber könnte das jemand der Frau Schamann von Nordkurier … ach, egal.

Wenn eine Gruppierung für die Demos mobilisiert, dann bedeutet das nicht, dass sie auch unterwandert sind. Oder? Nein, es bedeutet, dass sie Teil der Demo ist.

Welche rechtsextremen und gewaltbereiten Einzelpersonen und Gruppierungen sowie Personen aus dem Reichsbürger-Spektrum haben nach Kenntnis der Bundesregierung für die Demonstrationen am 7. und 21. November 2020 in Leipzig und am 18. November 2020 in Berlin mobilisiert?

Die Antwort:

Im Vorfeld war aus verschiedenen Bereichen des Rechtsextremismus für die Demonstrationen mobilisiert worden. Neben rechtsextremistischen Organisationen wie „Junge Nationalisten“ (JN), der Partei „DIE RECHTE“ sowie PRO CHEMNITZ hatten auch Gruppierungen aus dem Neonazi-Spektrum und aus der rechtsextremistischen HooliganSzene im Vorfeld für die Veranstaltung mobilisiert. Innerhalb der Reichsbürgerszene konnte keine Mobilisierung festgestellt werden.

Wie, auf welche Weise und über welche Kanäle verlief die Mobilisierung nach Kenntnis der Bundesregierung, und welche sicherheitspolitischen Konsequenzen zieht sie daraus?

Die Mobilisierung verlief neben der Nutzung der eigenen Webseiten über die gesamte Breite der virtuellen Infrastruktur wie beispielsweise soziale Netzwerke, Messengerdienste, Foren und Imageboards. Die Bundesregierung legt einen Schwerpunkt auf die Aufklärung dieser Kommunikationsstrukturen.

Ach gugge. Spannend.

Zur Teilnahme von Staatsbediensteten (im Hinblick auf Polizei, Bundeswehr und Feuerwehr) liegen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor. Möchten die auch gar nicht wissen, wahrscheinlich. Und pensionierte Polizisten zählen eh nicht?

Wir halten also an dieser Stelle mal fest: Die Bundesregierung hat Stand 19.01. Kenntnis von allerlei Klüngel von Neurechten und Neonazis auf und mit den Anti-Corona-/Querdenken-Demos … Prima, wäre die Fragen vom Nordkurier („Seite an Seite mit Nazis – wirklich?“) auch geklärt. Denn es ging nicht um Demos von Rechtsextremen, denen sich Querdenker angeschlossen haben wie bei der vom III. Weg in Berlin, sondern eben genau umgekehrt.

Auch QAnon war auf den Demos, sagt die Bundesregierung, da die ja ganz klar „insbesondere anhand von mitgeführten Transparenten und verwendeten Symbolen zu erkennen waren. Sowohl einzelne Rechtsextremisten als auch eine Reihe von ‚Reichsbürgern‘ und ‚Selbstverwaltern‘ sind Anhänger der ‚QAnon‘-Theorie.“ (Frage 12)

Interessant ist auch die Antwort auf die Frage nach dem Gefahrenpotential durch Falschdarstellungen des Demonstrationsgeschehens. Hier weiß die Bundesregierung,

dass in sozialen Netzwerken teilweise subtil, selektiv und manipulativ über die Reichweite und Teilnehmerzahlen der AntiCorona-Politik-Demonstrationen berichtet wird. Diese Berichterstattung ist aus Sicht der Bundesregierung geeignet, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass die Organisatoren solcher Demonstrationen von viel mehr Menschen unterstützt werden, als dies tatsächlich der Fall ist. Zugleich werden andere Medien sowie die Polizei beschuldigt, Lügen über das Demonstrationsgeschehen zu verbreiten. Somit werden Feindbilder möglicherweise in der Absicht präsentiert, innerhalb der heterogenen Protestbewegung ein Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

Der Einfluss russischer Staatsmedien (RTdeutsch, Sputnik beispielsweise) ist der Bundesregierung durchaus bekannt. Die Bundesregierung „betrachtet Desinformation gleichwohl als eine Bedrohung für die Funktionsweise eines demokratischen Rechtstaats“.

Am meisten weiß sie über Hooligans und den Kampfsport mit Verbindungen in die rechtsextreme Szene zu berichten. Es lägen vereinzelt Erkenntnisse vor, dass Rechtsextremisten, die aus dem Hooligan-Milieu stammen und/oder aktiv Kampfsport trainieren, gezielt Demonstrationen aufsuchten, die Potential für gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei oder dem politischen Gegner erwarten ließen.

Hooligans, Füsschenbällchen und Kampfsport … es ist spannend, was da alles zutage gefördert wird. Auch über einzelne Gruppen und Vereine.

Eine weitere Frage war:

Welche Gefahren einer möglicherweise fortschreitenden Radikalisierung erkennt die Bundesregierung mit Blick auf Demonstrationsteilnehmende aus dem esoterischen oder verschwörungsideologischen Milieu, und welche sicherheitspolitischen Konsequenzen, etwa im Informations- oder Präventionsbereich, zieht sie daraus?

Seit Beginn der Corona-Krise versuchen rechtsextreme Akteure aktiv, den bei Demonstrationsteilnehmenden aus dem esoterischen oder verschwörungsideologischen Milieu bestehenden Unmut über die Maßnahmen zum Infektionsschutz und über Einschränkungen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens zu nutzen. Dies geschieht sowohl in den sozialen Medien als auch im Rahmen von Demonstrationen. In diesem Kontext ist es nicht ausgeschlossen, dass Esoteriker und Verschwörungsideologen sich zusätzliches radikales Gedankengut aneignen.

Das bringe schwierige Herausforderungen für die politische Bildungsarbeit mit sich. Es sei davon auszugehen, „dass zumindest Teile der Anti-Corona-Demonstrantinnen und -Demonstranten, die gegebenenfalls noch mit Maßnahmen der politischen Bildung erreicht werden, diesen Radikalisierungsprozess von Teilen des Spektrums nicht erkennen oder nicht wahrhaben können oder wollen.“

Dies sorge dafür, dass Maßnahmen der politischen Bildung nicht mehr nur Informationen über Verschwörungserzählungen und -ideologien etc. im Kontext der Pandemie bereitstellen müssten, sondern „gleichzeitig vermitteln müssen, wo und in welcher Form Extremisten sich des Themas und der Proteste bemächtigen.“

„Teile … die gegebenenfalls noch mit Maßnahmen … erreicht werden“ – tja, der größte Teil ist durch solche Maßnahmen nicht mehr zu erreichen. Es scheint fast, als würde die Bundesregierung diesen Teil verloren geben. Jedenfalls äußert sie sich dazu nicht weiter. Das wäre auch für die Bundesregierung peinlich, schließlich haben Behörden und Politiker das so richtig verpennt. Schon vor Corona. Corona ist nur das Vehikel, der Streitwagen der Menschen mit Umsturzphantasien.

Und das quer durch die politischen Lager. Das Spektrum an Personen, die sich gegen die aktuellen staatlichen Coronabeschränkungsmaßnahmen wenden, sei nämlich insgesamt heterogen. Neben Anhängern der „Querdenken-Bewegung, Verschwörungsideologen, Esoterikern, Friedensaktivisten und weiteren Bürgern, die nicht mit den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung einverstanden sind“, seien auch Rechtsextremisten und Reichsbürger und Selbstverwalter vertreten.

Querfront eben.

Nichts weiß die Bundesregierung hingegen über Anthroposophen unter den Demonstranten, hier muss sie ganz dringend nachbessern.

Das Thema Antisemitismus in der Bewegung der Impfgegner und die Frage zu Codes und Rhetorik wird kurz abgehandelt.

Der Bundesregierung sind verschiedene Fälle bekannt, in denen antisemitische Verschwörungsmythen im Rahmen der Corona-Proteste unter anderem von Impfgegnern geäußert wurden und Vergleiche zwischen den aktuellen staatlichen Corona-Beschränkungsmaßnahmen mit den unter anderem gegen Juden gerichteten Maßnahmen des historischen Nationalsozialismus gezogen wurden.

Für etwas, das bei der Bundesregierung „alleroberste Priorität“ genießt, ist das dann doch etwas knapp.

Die Protestbewegungen gegen Corona-Maßnahmen existierten bundesweit, hat die Regierung festgestellt. „Dabei versuchen auch Akteure aus dem rechtsextremistischen bzw. dem ‚Reichsbürger‘ und ‚Selbstverwalter‘-Spektrum, auf diese Initiativen Einfluss auszuüben oder mit diesen zu kooperieren.“

Der Verfassungschutz prüfe, ob sich Bewegungen oder Initiativen radikalisieren und eine zunehmend extremistische Ausprägung eines Extremismus eigener Art entwickeln.

Insgesamt wenig Neues für Leute, die sich ohnehin mit dem Thema auseinandersetzen, aber spannend zu lesen, wie viel die Bundesregierung dann doch mitbekommt und wie sie es formuliert. Bleibt abzuwarten, ob diese Erkenntnisse bei den Ländern und den dortigen Polizeibehörden ankommen. Und ob sie zu verändertem Vorgehen führen werden, beispielsweise bei der Demo am 20.03. in Berlin.

Die Antwort findet ihr hier im Interwebz als PDF oder hier zum Download: