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IbDoku und Twitter – was diese Sperre lehren sollte

Twitter ist kein Medium, um umfangreiche Recherchen zu veröffentlichen. Dazu ist dieses Unternehmen zu unzuverlässig, zu inkonsistent, zu intransparent und zu widerlich. Doch wenn man es unbedingt möchte, dann doch bitte mit Sicherheit im Rücken.

IbDoku war ein sehr aktiver und sehr interessanter Recherche- und Dokumentationskanal zur Identitären Bewegung (IB). Wann immer die IB irgendwo mitmischte, wann immer der österreichische IB-Anführer Martin Sellner etwas tat, IbDoku hatte die Infos, dokumentierte und recherchierte die Hintergründe, beobachtete Demos …

„War“, „hatte“, „dokumentierte“ – wir schreiben diesen Artikel im Präteritum, weil IbDoku auf Twitter nach aktuellem Stand, nicht mehr existiert. Twitter sperrte den Account – mutmaßlich nach einer Massenmeldung aus dem IB-Dunstkreis.

Und das bedeutet in dem Fall nicht nur, dass man derzeit keinen Zugriff auf Neuigkeiten aus diesem Kanal hat, es bedeutet, dass die gesamte Recherche und die dokumentierten Vorgänge nicht mehr verfügbar sind. Twitter hat dafür gesorgt, dass Informationen über eine Gruppierung, über die sich selbst der Verfassungsschutz der Bundesrepublik alarmiert äußert, nicht mehr existieren. Bei IbDoku auf Twitter waren beispielsweise die Infos zu sehen, die beispielsweise T-Online für ihre Recherche nutzte.

https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/id_91480946/im-fadenkreuz-der-geheimdienste-identitaere-bewegung-kapert-corona-proteste.html

Wir wissen nicht, ob Sellner der Twitter „Country Director“ Jolanta Baboulidis und „Head of Communications Germany“ Christoph Schmid schon einen Präsenzkorb geschickt hat, ist auch egal, gejubelt haben sie jedenfalls. Tatsache ist aber, Twitter entwickelt sich zunehmend zu einem totalitären Medium und lässt es zu, dass die Meldewerkzeuge missbraucht werden.

Gut, sei es so. Man wird sehen, ob die Shareholder langfristig begeistert sein werden. Aber es ist langsam Zeit, sich mal Gedanken zu machen.

Das monatelang, oft jahrelang geführte Recherchen und Dokus verschwinden, ist übel. Es zeigt aber eines ganz deutlich auf: Twitter ist nicht das Medium für sowas. Ein Unternehmen, dass seine eigenen Spielregeln aufstellt und sie dann nicht mal beachtet, ein Unternehmen, dass intransparent agiert und oft einfach gar nicht auf Kontaktversuche reagiert, kann nicht als verlässlicher Partner für nachhaltige Informationsaufbereitung betrachtet werden. Wer das tut – und wir taten das ebenfalls – der macht was falsch.

Nun ist es nicht notwendig, dass jede Recherchegruppe einen eigenen Blog, eine eigene Website aufmacht. Es gibt einen ganz einfachen „Trick“ um seine Reichweite um einen weiteren Social Media Kanal zu erweitern und seine Tweets zu sichern: Die Nutzung des Fediverse.

Ja, das Fediverse. Es ist groß, aber der Microblogging-Part Mastodon erscheint zunächst klein, wenn man dort einen Account erstellt. Man selbst hat keine Follower, die Timeline ist erstmal nur lokal, also auf die eigene, eventuell kleine Mastodon-Instanz beschränkt. Aber die Möglichkeiten sind riesig. Denn es gibt neben der lokalen auch die „föderierte“ Timeline, in der alle „Toots“ (so heißen Tweets auf Mastodon) auftauchen, die man öffentlich postet – und die Toots, die von anderen auf anderen Instanzen gepostet wurden, denn die Mastodon-Instanzen sind nicht isoliert, sondern miteinander verbunden, man kann die Toots von Leuten auf anderen Instanzen lesen und mit denen interagieren. Genau wie auf Twitter kann man hier mit Hashtags arbeiten … und es gibt technische Möglichkeiten, Tweets von Twitter automatisch im Fediverse zu tooten.

Das Traurige am Fall IbDoku ist nämlich, dass sie schon einen Account im Fediverse hatten. Einen, den sie nur mit einem Link zu ihrem *hust* Twitteraccount nutzten. Keine Follower, keine Toots. Dabei ist es wirklich ganz einfach, einen Crossposter von Twitter zum Fediverse, hier zu einer Mastodon-Instanz, einzurichten. Man muss nicht einmal programmieren können.

AnonNewsDE war schon sehr lange im Fediverse. Tweets auf Twitter wurden dabei automatisch über den Dienst moa.party auch zu https://social.tchncs.de/@AnonNewsDE übertragen. Deswegen sind dort nicht nur die Tweets verfügbar, die für die Löschung des Accounts AnonNewsDE auf Twitter als Vorwand genutzt wurden, sondern auch viele weitere, weit in die Vergangenheit zurückreichende Tweets.

moa.party ist nur einer von vielen Diensten, ein weiterer ist https://crossposter.masto.donte.com.br/. Und es gibt zahlreiche Projekte für Admins, um eine eigene „Bridge“ aufzusetzen. Aber diese beiden Dienste sind entsprechend leicht und ohne Vor- oder Programmierkenntnisse einzurichten. Man loggt sich einfach im Browser von moa.party aus sowohl in den Twitter und den Mastodon-Account ein, gewährt dem Dienst die notwendigen Rechte und gibt nur noch an, was in welche Richtung übertragen werden soll.

In unserem Fall läuft das Crossposten umgekehrt, von Mastodon zu einem Twitter-Account. Aber man sieht, man kann sogar in beide Richtungen crossposten. Da man bei unserer Mastodon-Instanz Toots mit 500 Zeichen anlegen kann, wobei URLs egal welcher Länge immer 23 Zeichen konsumieren, werden die Toots für Twitter sogar automatisch aufgeteilt in mehrere Tweets. Auf diese Art kann man auf Twitter und auf Mastodon sehr leicht crossposten, seine Tweets in einem anderen Netzwerk „sichern“.

Doch eines sollte man dabei niemals vergessen: Im Fediverse sind Menschen. Nette, interessierte und durchdachte Menschen. Und Menschen möchten kommunizieren, auch auf Mastodon. Daher macht nicht den Fehler, den so viele machen, und betrachtet Mastodon als „besseres Backup“. Es ist mehr als das. Viel mehr. Also: crossposten zu Mastodon, aber auch dort interagieren. Macht letztlich nicht so viel Arbeit, wie man glaubt.

Vielleicht kommt ihr aber durch so einen Crosspost-Channel zum Fediverse auf den Geschmack? Vielleicht schafft ihr es, mehr Leute von Twitter zu Mastodon zu ziehen? Vielleicht dreht ihr letzlich den Spieß um und crosspostet von Mastodon zu Twitter? Toots von Mastodon in Websites einzubetten geht genauso leicht wie bei Twitter.

Probiert es doch mal, it’s free!

Es wird Zeit, Twitter nicht mehr als die einzige Möglichkeit und als alternativlos zu betrachten. Denn das ist es genau nicht. Ja, das Fediverse muss noch wachsen. Es möchte bestimmt auch wachsen. Aber mit einem Crosspost von Twitter zu Mastodon wären wenigstens die Infos von IbDoku noch verfügbar.

Passende Mastodon-Instanzen für euch oder eure Organisation findet ihr über https://joinmastodon.org/ auch auf deutsch. Eine schöne Einführung in die Vor- und Nachteile von Mastodon findet ihr auf DigitalCourage in der Kategorie „Digitale Selbstverteidigung“.

Und noch viel mehr Infos zum Fediverse, dem Netzwerk an Social Media Plattformen, und seinen Teilen

  • Mastodon und Pleroma (Microblogging, Fediverse-Version von Twitter),
  • Pixelfed (Photoblogging),
  • Peertube (Videohosting,),
  • Friendica (Social Network, Fediverse-Version von Facebook),
  • Lemmy (Link-Aggregator, Fediverse-Version von Reddit),
  • Funkwhale (Audiohosting),
  • WriteFreely (Macroblogging, Fediverse-Version von Blogger oder WordPress.com),
  • Mobilizon (Event-Planer, Fediverse-Version von Facebooks Events & Groups)

findet ihr auf https://joinfediverse.wiki/index.php?title=Main_Page/de. Denn Facebook, Twitter, YouTube, Reddit sind nur so lange alternativlos, solange die Masse diese anderen Dienste nicht kennt – und weiter deren Kröten schluckt.

Keine Ausrede mehr.


Update 18.01.2022

Der Account @IbDoku der Rechercheplattform zur Identitären Bewegung auf Twitter wurde wieder freigeschaltet und ist zum Glück wieder erreichbar.

Das Grundproblem bei Twitter jedoch bleibt.