Kategorien
AttilaHildmann OpTinfoil

Hildmann, die GStA Berlin und die Staatsangehörigkeit

Attila Hildmann habe eine doppelte Staatsangehörigkeit. Das verkündete die Generalstaatsanwaltschaft Berlin im März. Deswegen könne mit einer zeitnahen Vollstreckung des Haftbefehls nicht gerechnet werden.

Nun bestätigt Attila Hildmann in einer Sprachnachricht selbst, dass er eben keine doppelte Staatsangehörigkeit hat. Er hat sie erst vor kurzem in der Türkei beantragt, sagt er.

„[…] habe ein Verfahren eröffnet, dass ich meinen türkischen Pass bekomme, denn den habe ich tatsächlich noch nicht.“

„Das war ein riesiger Aufwasch, musste erst noch meine Eltern kontaktieren …“

Fragt sich, warum die GStA Berlin sich auf so eine Aussage versteigt. Wir fragen uns, wer hier die Unwahrheit sagt. Oder hat die GStA Berlin sich bei ihrem Statement auf einen Post von Hildmann bezogen?

Okay, ernsthafte Ermittlungen sehen in jedem Fall anders aus.

Wie ist das überhaupt – mit der doppelten Staatsbürgerschaft. Attila wurde im Kindesalter von deutschen adoptiert. Er erhielt damit die deutsche Staatsbürgerschaft. Verlor er dann automatisch die türkische? ist es dann nötig, einen türkischen Pass zu haben? Wenn er erst seine Eltern kontaktieren musste … musste er dann nicht seine türkischen Wurzeln nachweisen?

Laut Kai hat Attila erst vor wenigen Wochen seine Geburtsurkunde und die Adoptionsurkunde erhalten. Er sagte, „Attila hat keine türkische Staatsangehörigkeit.“

Hat er tatsächlich irgendwas beantragt?

Wenn man sich dann noch vergegenwärtigt, dass Attila und Kai nach dem Tracking und dem Exposing des Aufenthaltsortes sich immer im Umkreis von 5 Kilometern um den exposten Ort aufhielten … nun … türkische Behörden, deutsche Behörden…

Die ganze Nummer wirft mehr Fragen auf … immer mehr.

Hier Attilas Sprachnachricht, das mit der Staatsangehörigkeit ist etwa ab Minute 35.

Kleines Update

„Attila hat eine Long Term Residence Permit, mit der er sich derzeit legal in der Türkei aufhält.“ (Kai E.)

Was man bei diesem Staatsbürgerschaftsgefummel nicht vergessen darf: die sogenannte „doppelte Staatsbürgerschaft“ gab es zum Zeitpunkt von Attila Hildmanns Adoption noch nicht in Deutschland. Wenn er also durch die Adoption die deutsche Staatsbürgerschaft erhielt, was bei Adoption durch deutsche Eltern Standard ist, dann sollte er die türkische zum damaligen Zeitpunkt automatisch verloren haben. Zumindest nach deutschem Recht.

Noch ein Update:

Attilas Geburtsurkunde und der Adoptionsbeschluss liegen hier vor, wir veröffentlichen die hier noch nicht. Aber dort ist nicht vermerkt, dass er die türkische Staatsbürgerschaft hat. Seine Geburtsurkunde weist nach der Adoption die Hildmanns als Eltern aus. Mag sein, dass er nach türkischem Recht Türke ist, wie in einem Kommentar angemerkt wurde, nach deutschem ist er es nicht.

Im Zusammenspiel mit der Adoption fand in demselben Beschluss auch die Namensänderung in Attila Klaus Peter statt.

Update 16.09.2021 12:30 Uhr

Mal ein bisschen „Butter bei die Fische“, da dies gerade ziemlich diskutiert wird. Der Hintergrund dieses Artikels war, dass der Generalstaatsanwaltschaft Berlin auf Twitter „Lüge“ vorgeworfen wurde. Wir wären aufgrund der „Beweise“, die es zu dem Zeitpunkt gab, nicht davon ausgegangen, dass die Staatsanwaltschaft „lügt“.

Attila ist für die Türkei – ob der türkische Staat das wusste oder nicht – ein Türke. Das Staatsbürgerrecht beruht in der Türkei auf Ius sanguinis, einer Art Abstammungsprinzip, wie jemand in einem Kommentar durch Zitat aus der türkischen Verfassung sehr schön anmerkte. Das war bei uns in Deutschland lange Zeit auch der Fall, bis Anfang des Jahrtausends das Ius soli, das Geburtsortsprinzip, hinzukam.

Ob Attila nun einen türkischen Pass hat, ist in dieser Frage eher von nachrangiger Bedeutung. Denn einen türkischen Pass bekommt man als türkischer Staatsbürger, man wird nicht Staatsbürger, weil man einen Pass hat. Insofern … egal. Das weiß Attila wahrscheinlich auch alles selbst nicht. Gut.

Attila musste gegenüber der Türkei nachweisen, dass er türkischer Abstammung ist. Dafür benötigte er Urkunden. Da durch die Adoption auf seiner Geburtsurkunde die Hildmanns als Eltern ausgewiesen sind, benötigte er andere Papiere. Hierfür bekam er einen Auszug aus dem Geburtsregister. Dort nämlich sind seine leiblichen Eltern vermerkt, die beide Türken sind. Damit konnte er gegenüber dem türkischen Staat seine türkische Abstammung nachweisen. Dieses Verfahren hat er jetzt angestoßen, wie er sagt.

Attila ist also für die Türkei ein Türke, wenn die seine Abstammung anerkennt. Was wohl noch aussteht, denn das Verfahren läuft noch, an dessen Ende bekommt er einen türkischen Pass.

Die deutsche Staatsbürgerschaft hat er durch Adoption. Insofern hat Attila tatsächlich zwei Staatsbürgerschaften, allerdings nach unterschiedlichen Rechtsnormen der beiden beteiligten Staaten.

Was bleibt: das Zeitfenster. Und das ist der Punkt, um den es uns eigentlich geht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat vielleicht nicht „gelogen“, als sie davon sprach, dass Attila Hildmann zwei Staatsbürgerschaften hat oder haben könnte. Aber vielleicht hat sie dennoch was verpennt. Hätte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin etwas bewirken können, wenn sie die Auslieferung eines deutschen Staatsbürgers beantragt, während der türkische Staat noch nicht weiß, dass es sich auch um einen türkischen Staatsbürger handelt bzw. die Abstammung von türkischen Eltern noch nicht anerkannt war? Hätte sie es einfach mal darauf ankommen lassen können im März? Denn die Urkunden zum Nachweis seiner Abstammung erhielt Attila erst sehr spät in diesem Jahr.

Wir danken an dieser Stelle allen für die angeregte Diskussion zu diesem Thema.

Update 16.09.2021, 16:15 Uhr

Generalstaatanwaltschaft Berlin so:

https://twitter.com/GStABerlin/status/1438495563117432835?s=20

Ja, liebe Staatsanwälte. Die hat er, wenn seine Abstammung von der Türkei anerkannt wird. Jetzt hat er genau dieses Verfahren eröffnet. Im März war das noch nicht der Fall. „Dabei müssen wir davon ausgehen…“ reicht einfach nicht.

Update 18.10.2022

Nach anderthalb Jahren und seit mehr als einem Jahr vorliegenden Hinweisen gesteht die Generalstaatsanwaltschaft Ermittlungsfehler im Fall Hildmann ein.