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Polizei und die Pressefreiheit: Grundgesetz im Abseits

Die Polizei hat heute in München gezeigt, was sie von der durch das Grundgesetz garantierten Pressefreiheit hält: Nichts.

Die Polizei ist kein Freund und Helfer, wenn es um die Arbeit von Journalisten geht. Auf Querdenken-Demos schafft sie es nicht, reguläre Vertreter der Presse vor Übergriffen zu schützen, auf anderen Demos wird sie selbst übergriffig.

Pressevertreter, die heute über die Demonstrationen von Klimaaktivisten in München berichten wollten, wurden heute teils über Stunden von der Polizei festgesetzt, die weitere Berichterstattung wurde verboten. Die Polizei nennt das euphemistisch „ganzheitlichen [sic!] polizeiliche Kontrolle“.

Diese „ganzheitliche Kontrolle“ dauerte wohl über eine Stunde … doch damit nicht genug: im Verlauf des Tages stellte sich heraus, dass Pressevertreter auch mit gültigem bundeseinheitlichen Presseausweis an der Berichterstattung komplett gehindert wurden.

Michael Trammer schreibt unter anderem für die taz. Im Zuge der Demonstration kam es zu einer Hausbesetzung, über die Trammer berichten wollte. Dabei wurde er von der Polizei festgesetzt. Die taz schreibt:

Nach mehr als drei Stunden in Gewahrsam wurde Michael Trammer wieder frei gelassen. Allerdings schloss ihn die Polizei München von der weiteren Bericherstattung aus. Ihm wurde eine Gefährderansprache und ein Betretungsverbot für alle Veranstaltungsflächen der IAA erteilt. „Dies ist offensichtlich rechtswidrig und ist eine massive Einschränkung der grundgesetzlich garantierten Pressefreiheit“, sagt Rechtsanwalt Florian Kubsch, der Trammer vor Ort betreut.

Den Vorwurf des Hausfriedensbruchs will die Polizei indes bestehen lassen.

Der Pressesprecher der Polizei München Andreas Franken erklärte der taz jedoch, Trammer sei vom Vorwurf des Hausfriedensbruchs nicht ausgenommen, nur weil er Journalist sei. In der Tat sei man aber „sensibilisiert“, dass von der Räumung des widerrechtlich besetzten Hauses auch ein Journalist betroffen gewesen sei, ein Irrtum liege also nicht vor. Deshalb seien die KollegInnen im Präsidium angehalten, dass dieser Sachverhalt „bevorrechtigt behandelt“ werde.

Die Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, Monique Hofmann, kritisierte das in Teilen skandalöse Einsatzverhalten der Polizei rund um die IAA in München. „Es kann nicht sein, dass Journalisten wie Michael Trammer stundenlang festgehalten werden und nicht ihrer Arbeit nachgehen können, obwohl sie durch einen bundeseinheitlichen Presseausweis als hauptberuflich tätige Journalisten erkennbar sind.“ Erst gestern seien zudem vier Journalisten anderthalb Stunden in einer Gefangenensammelstelle festgehalten worden. Dagegen werde die dju in ver.di gerichtlich vorgehen, kündigte Hofmann an.

https://taz.de/Berichterstattung-ueber-die-IAA-Proteste/!5800081/
Hervorhebung durch uns.

Grundsätzlich müssen Journalisten auch über Räumungen besetzter Häuser und über Demos berichten. Das ist ihre Aufgabe. Das ihnen das Presserecht hier besondere Befugnisse einräumt, das bestreitet die Polizei München einfach mal. Trotz des Zeigens des bundeseinheitlichen Presseausweises.

Der bundeseinheitliche Presseausweis beruht auf einer Vereinbarung zwischen Innenministerkonferenz und dem Deutschen Presserat (PDF), er darf von derzeit sechs Verbänden nur an hauptberufliche Journalisten ausgegeben werden. Anders als die über das Internet erhältlichen Presseausweise von dubiosen Verbänden oder die selbstgedruckten oder gemalten Varianten der Querdenker, gilt dieser als bundesweiter Nachweis journalistischer Tätigkeit.

Für Trammer, aber auch für zahlreiche andere Journalisten, die bereits vorher an ihrer Arbeit gehindert und in die Gefangenen-Sammelstellte der Polizei gebracht wurden, nur weil sie Fotos machten, kommt die Maßnahme einem zeitweiligen Berufsverbot gleich.

Die Pressefreiheit, in Deutschland in Artikel 5 GG garantiert, ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Die freie Presse – echte Presse, nicht das, was Querdenker, AfD und Maaßen darunter verstehen, die von publizistischer Sorgfalt noch nichts gehört haben und ihrerseits die Presse an ihrer Arbeit hindern oder eine Gesinnungsprüfung einführen möchten – ist als vierte Gewalt im Staate eine Kontrollinstanz und zugleich Garant für eine pluralistische Meinungsbildung.

Die bayerische Exekutive outet sich als Feind der Pressefreiheit … bei einigen Demos, bei anderen nicht … und sie möchten wohl gern, dass nur ihre Darstellung der Ereignisse zählt. Doch Pressemitteilungen der Polizeien in Deutschland sind oft das Papier nicht wert.

Der SZ gegenüber zeigt sich die Polizei mit ihrer Strategie zufrieden.

Insgesamt sei „die polizeiliche Einsatztaktik bislang aufgegangen. Wir waren präsent und in der Lage zu reagieren.“ Die Karlstraße 20 sei mittlerweile geräumt, die Räumung des offensichtlich leer stehenden Hauses störungsfrei verlaufen. Die dort anwesenden Personen seien kooperativ gewesen. Gegen sieben von ihnen werde wegen Hausfriedensbruch ermittelt.

https://www.sueddeutsche.de/muenchen/muenchen-iaa-polizei-journalisten-protestcamp-1.5405834

Die Übergriffe auf die Presse verschweigt der Herr dann mal lieber. Jörg Reichel von der dju in ver.di jedoch nicht.

Entfesselt und selbstgefällig. Allmählich muss man die Frage stellen, welche Maßstäbe die Polizei bei ihrer Arbeit an den Tag legt. Ist es noch die freiheitlich demokratische Grundordnung und Grundrechte? Oder sind wir schon im Bereich polizeilicher Selbstbetrieb und Selbsterhalt, weil Journalisten es wagen, kritisch über Polizei zu berichten?

Und nein, wir wollen die Antwort nicht von DPolG, GdP oder den anderen Verbänden, die da noch rumkrebsen.

Aber auch die Bundespolizei hat sich heute in Bayern nicht mit Ruhm bekleckert, um es mal freundlich auzudrücken: Beamte der Bundespolizei trugen eine verletzte Person gegen den Rat von Notfallsanitätern weg, bewegten sie, obwohl nach Sturz von einem Baum eine Wirbelsäulenverletzung nicht ausgeschlossen werden konnte.

Das ist nicht nur das Gegenteil dessen, was man bei mutmaßlichen Verletzungen dieser Art – und davon muss man bis zur ärztlichen Untersuchung und ggf. Röntgen als Verdacht ausgehen – machen darf, sondern auch das Gegenteil dessen, was der Polizei beigebracht wird.

Alles davon.