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EU-Urheberrechtsreform: Bundesregierung beschließt … und keiner ist zufrieden

Es war zu erwarten, dass von all den Beruhigungspillchen der Regierungsparteien nichts übrigbleibt, aber was hier als Kompromiss verkauft wird, ist nichts. Wie zu erwarten war.

Wenn Politiker „die Dinge in die Hand nehmen“, dann kommen am Ende immer Krümel dabei heraus. Kompromiss bedeutet für Politiker immer entweder der kleinste gemeinsame Nenner oder aber nichts wirklich Eindeutiges – was, wenn man ganz ehrlich ist, dasselbe bedeutet. Am Ende steht man als Bürger immer da und fragt sich: „Whut?“

So auch bei der Urheberrechtsreform.

Es wird keine Uploadfilter geben, haben sie gesagt im Jahr 2019. Karikatur, Memes und Rechte werden klar geregelt, haben sie gesagt. Alles halb so wild, haben sie gesagt.

My ass!

Wieder ist es schlimmer, wieder wirft ein Gesetzentwurf mehr Fragen auf, als er beantwortet und wieder wird man abwarten müssen, ob die Regelungen vor dem EuGH bestehen werden.

Die CDU, die maßgeblich und ursächlich verantwortlich ist für das Disaster Urheberrechtsreform, will diesen Umstand schon mal vergessen machen – in einer Stellungnahme…

Nach langen Verhandlungen hat die Bundesregierung auf Vorschlag der Bundesjustizministerin jetzt einen Kompromiss zur Umsetzung von Artikel 17 verabschiedet. Es ist ein Kompromiss, bei dem alle beteiligten Gruppen Abstriche und Zugeständnisse machen müssen – auch wir. Unser Anliegen, Uploadfilter komplett unnötig zu machen, konnten wir nicht vollständig umsetzen.

https://www.cdu.de/artikel/kompromiss-zum-urheberrecht-keine-uploadfilter [Hervorhebungen von uns]

Nochmal und nochmal und nochmal zur Erinnerung: Es war Axel Voss vom CDU Bezirksverband Mittelrhein, der diese Misere EU-weit angerichtet hat, es waren Vertreter der CDU, die im Europaparlament mehrheitlich dafür stimmten, da kann die CDU Deutschlands jetzt Whitewashing-Versuche unternehmen, wie sie möchte.

Es ist ihre Schuld. Da hilft es auch nichts, das Versprechen „keine Uploadfilter“ kurzzeitig von der Website zu löschen…

Ist jetzt wieder da, der Artikel, aber aus

Meinungsfreiheit stärken und Nutzer besserstellen, Urheber fair und effektiv vergüten, Plattformen einbinden und verpflichten – aber alles ohne Upload-Filter

wird in der Stellungnahme dazu

Meinungsfreiheit sichern, Rechtssicherheit für Nutzer stärken, Urheber fair und effektiv vergüten, Plattformen in die Pflicht nehmen – das waren und sind unsere Ziele bei der Umsetzung der europäischen Urheberrechtsreform in nationales Recht.  

mit zusätzlichem

 Das Kabinett hat heute einen Kompromiss beschlossen, der komplex ist und von allen Seiten Zugeständnisse einfordert. Naturgemäß sind damit nicht alle zufrieden. 

https://www.cdu.de/artikel/kompromiss-zum-urheberrecht-keine-uploadfilter [Hervorhebungen von uns]

Wenn man sich so in der Medienlandschaft umschaut, dann ist niemand zufrieden. Verleger, Plattformbetreiber, Urheber, Nutzer, niemand ist zufrieden. „Nicht alle“, schöne Umschreibung.

Aber das ist typisch Politik der Regierungsparteien. „Wir haben versucht, das Beste rauszuholen … blabla … “ und sich dann selbstzufrieden zurückzulehnen und mit dem Finger auf andere zeigen.

Das ist auf dem Niveau von „Wir haben alle das Virus unterschätzt“. Politikerniveau. Niedrig.

Neee. Laut CDU ist ja in dem Entwurf für jeden was drin. Stimmt, Aufreger.

Der Chef des Verbandes eco – ein Vertreter der Plattformbetreiber – hat in seiner Pressemitteilung klar benannt, wo er die Probleme sieht, dass es sich bei dem Gesetz um eine Einschränkung der Meinungsfreiheit handelt und mit zweierlei Maß vorgegangen wurde.

„Die auch im jüngsten Gesetzentwurf getroffenen Neuregelungen zum Leistungsschutzrecht für Presseverleger führen in Verbindung mit den zusätzlich geplanten Uploadfiltern zu einem tiefen Einschnitt in die Meinungsfreiheit und lähmen die Entwicklung von neuen sowie innovativen Plattformen in ganz Europa.
[…]
Während für Verlage nur vage Bestimmungen gelten, werden Plattformen-Betreibern ein immenser Mehraufwand und erhebliche Zusatzkosten für die Lizenzgebühren auferlegt. Die Sichtbarkeit und Vielfalt, die Plattformen für die Inhalte von Kreativen im Netz schaffen, wird damit jedenfalls nicht gegengerechnet.“

https://www.eco.de/presse/eco-zur-eu-urheberrechtsreform/

Julia Reda, die schon zu recht während ihrer Zeit als Europaabgeordnete gegen die Reform trommelte, meint:

Laut dem Regierungsentwurf sollen Karikatur, Parodie und Pastiche nur noch dann zulässig sein, ‘sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist’. Diese Einschränkung ist in der EU-Richtlinie nicht enthalten und stellt Privatpersonen vor schwierige rechtliche Fragen, die von der Nutzung dieser Ausnahmen abschrecken werden. Der Europäische Gerichtshof hat bereits in seinem Deckmyn-Urteil geklärt, dass es bei einer Parodie nicht auf den Umfang der Nutzung eines fremden Werks ankommt. Daran muss sich auch die Bundesregierung halten. Andernfalls werden die Folgen insbesondere für die Internetkultur, die von Memes, Remix und Parodien lebt, verheerend sein.
Auch Uploadfilter werden im Regierungsentwurf verschärft. Vor automatischer Sperrung geschützt sein sollen nur noch kürzeste Ausschnitte aus Texten von bis zu 160 Zeichen, nicht wie ursprünglich vorgeschlagen 1.000 Zeichen. Damit wäre selbst ein völlig legales Zitat eines einzelnen Tweets von automatischer Sperrung bedroht.

https://freiheitsrechte.org/julia-reda-zur-urheberrechtsreform/

Die Musikindustrie … Gott, ja, die sind auch dagegen, weil sie es immer sind.

Klar, die avisierten lizenzfreien 15 Sekunden sind ihnen zu viel. Die Anfangssequenz Beethovens 5. brauche nur drei Sekunden, das Riff von „Smoke on the water“ nur neun Sekunden

… aber sie verschweigt dabei, dass Beethovens 5. Sinfonie eigentlich gemeinfrei ist, wenn man sie selbst einspielt das problemlos verwendet werden dürfte, solange man keine Notenblätter kopiert, und Uploadfilter die Sequenz dennoch sperren werden. Da braucht man keine zwei Sekunden, um kopfschüttelnd weiterzuziehen.

Zum Beispiel zur SPD, die … bislang noch nicht offiziell Stellung bezogen hat, obwohl es eine SPD-Justizministerin war, die den Gesetzentwurf „vorgeschlagen“ hat.

Schleudertrauma. Vom Kopfschütteln. Doll.

Und inhaltlich? Wie ist das mit der Geringfügigkeit geregelt? Die versprochene Rechtssicherheit durch Bagatellgrenzen? Die 15 Sekunden hatten wir ja schon.

Man fragt sich, wer solche Gesetze schreibt. Geringfügige Nutzung eines Bildes von „bis zu“ 125 Kilobyte?

Wie ist der Satz zu verstehen? Man darf nur die ersten 125 Kilobyte des Bildes nutzen? Oder darf man auch die letzten 125 Kilobyte nutzen? 125 Kilobyte von oben rechts nach unten links oder von der Mitte aus aufgezogen? Darf das Bild nur genutzt werden, wenn es nicht mehr als 125 Kilobyte groß ist oder muss man es so herunterkomprimieren oder skalieren, dass es nicht mehr als 125 Kilobyte hat? Wäre Letzteres nicht schon eine Bearbeitung?

Und 160 Zeichen? Hier mal ein Satz aus dem Spiegel, den manche gerne in Gänze zitert hätten.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das Gesetz beschlossen, mit dem die EU-Urheberrechtsrichtlinie in nationales Recht umgesetzt werden soll – und erwartungsgemäß ist keine Seite vollständig glücklich.

Der fette Teil sind 160 Zeichen, der kursive sind die, durch die die Bagatellgrenze gesprengt wird. Und das ist nicht mal ein besonders langer Satz. Spaßig wäre es, wenn man jetzt noch nachfragen würde, ob mit oder ohne Leerzeichen gezählt werden muss.

Besser nicht.

Das sind natürlich Vorgaben für Uploadfilter, die hier nicht anschlagen sollen, da es sich um mutmaßlich legale Nutzung handelt.

Und die Plattformnutzer?

Vielleicht – und das ist nur eine blöde Idee -, sollten wir jetzt alle zusammen mal beobachten, was die Politiker dieser drei Regierungsparteien so posten und veröffentlichen, und sie darauf hinweisen, dass es gegen ihren tollen Gesetzentwurf verstoßen würde – momentan durchläuft der ja das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren, muss aber im Juni oder so beschlossen sein.

Viel Arbeit klar, aber ohne das lernen sie es ja nicht.

Oder wir schreiben alle Parlamentarier dieser Parteien an und fragen mal, ob sie den Passus „sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist“ mal eben erläutern könnten …

Hach, ich träume schon wieder…

Weitere Stimmen …

Hier die kompletten 174 Seiten „Gesetzentwurf“.


Update 05.02.2021 17:10 Uhr:

T3N hat dazu jetzt auch was an Erläuterungsversuch veröffentlicht und weist auf weitere Einschränkungen bei der mutmaßlich legalen geringfügigen Nutzung hin:

Aber es gibt noch weitere Auflagen. Ein Upload muss auch kleiner sein, als die Hälfte des eigentlichen Werkes. Der obige Grenzwert greift demnach beispielsweise bei einem Videoschnipsel erst, wenn das Original länger als 30 Sekunden ist. Außerdem müssen Schnipsel mit eigenen Inhalten kombiniert sein. Darüber hinaus greift das Ganze auch nur dann, wenn ein Upload keinen kommerziellen Zwecken dient und damit keine „erheblichen“ Einnahmen generiert werden.

https://t3n.de/news/urheberrechtsreform-upload-filter-geringfuegige-nutzung-1354291