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Hintergründe

Mimimi miRNA

Eines muss man unseren eifrigen Solidaritätsverweigerern ja lassen: mit dem vehementen Verleugnen von wissenschaftlichen Standards bringen sie alle Anderen dazu, sich mit der Materie auseinanderzusetzen und verhelfen somit klassischen Methoden der Biowissenschaften zu einem unerwarteten Hype.

Den heutigen Exkurs in die Gefilde der Molekularbiologie verdankt ihr keinem Geringeren als dem Querschwurbler der ersten Stunde: Attila Hildmann.

Wenn Attila nicht gerade Videos in Uniformen dreht, während er high ist wie ein Wiedehopf nach dem Einemsen, scheint er Gefallen an funktionellen RNAs gefunden zu haben. Leider ist eine*r seiner fleißigen AutorInnen jüngst ein Fehler unterlaufen, als diese*r meinte, mRNA-Impfstoffe würden zu Unfruchtbarkeit führen. Da wir aus dem Lager der CoronaFakten ganz anderen Schwachsinn gewohnt sind, sehen wir über solche kleinen Ausrutscher milde hinweg und erklären Atilla gern die Grundlagen der RNA-Interferenz. Jetzt, also bitte mal kurz die Nadel aus dem Arm nehmen und aufgepasst:

In unserem Beitrag über die Grundlagen der neuen mRNA-basierten Impfstoffe (1) haben wir knapp die Synthese von mRNA als kurzlebige Abschrift von DNA umrissen. Diese Transkripte werden von sogenannten kodierenden Regionen der DNA angefertigt und kodieren mittels Basenpaaren in Form von 3er Blöcken (Codons) jeweils für eine Aminosäure. In ihrer Gesamtlänge trägt eine mRNA die Information für eine Zahl von Aminosäuren, die nach der Übersetzung (Translation) ein funktionelles Protein ergeben.

Nun ist es aber so, dass der kleinste Teil der DNA eines Organismus tatsächlich für Proteine kodiert. Während man früher der Annahme war, das weite Teile der DNA nur Schrott im Laufe der Evolution angesammelt hätten, wird immer klarer, dass die meisten Bereiche regulatorische Funktionen haben. So steuert eine Zelle nicht nur präzise Zeit, Art & Menge benötigter Proteine sondern auch die komplette übergeordnete Struktur ihrer DNA (s. Epigenetik) je nach Zustand der Zelle. (2)

Von all den verschiedenen Regulationsmechanismen wenden wir unseren Blick heute auf die Rolle von nicht-kodierenden RNAs. Im Gegensatz zur mRNA (der Name verrät’s) kodieren diese RNAs nicht für Proteine. Stattdessen übernehmen diese RNAs selbst bestimmte Funktionen, weshalb diese mitunter auch als funktionelle RNAs bezeichnet werden. In dieser Gruppe schon länger bekannt sind tRNA (transferRNAs), welche gemeinsam mit Ribosomen (ebenfalls ein komplex aus Proteinen und ribosomaler RNA) und kodierender mRNA an der Proteinsynthese beteiligt sind. (3)

Bei weiteren Forschungen in der RNA-Welt der Zelle ist man auf eine Vielfalt weiterer spannender RNAs gestoßen: während zum Beispiel mRNA in ihrer Sequenz Proteine kodiert („sense“), finden sich RNA-Abschnitte, die direkt komplementär sind. Übersetzt mit dem universellen genetischen Code stellt man fest, dass diese RNAs keine sinnvollen Proteine ergeben würden. Aufgrund ihrer direkt entgegengesetzten Sequenz zu mRNAs, können sich diese „antisense“RNAs jedoch mit mRNAs zu einem RNA-Doppelstrang zusammenlagern. Dieser neuentstandene RNA-Doppelstrang kann nicht mehr durch Ribosomen in Proteine übersetzt werden. Die Zelle reguliert also nicht nur Zeit und Menge einer mRNA (Transkriptionskontrolle) – sie reguliert sogar, wieviel mRNA in Protein übersetzt werden kann (Translationskontrolle). ( 4,5,6,7)

Auch andere nichtkodierende RNAs können an mRNA binden. Je nach Herkunft und Struktur unterscheidet man u.A. in siRNAs (small interfering RNAs) und miRNAs (MicroRNAs). Ähnlich wie die zuvor genannten antisenseRNAs nutzt die Zelle diese, um die Menge an mRNA respektive Protein genau zu justieren. Da diese Regulation durch RNAs vermittelt wird, spricht man hier von RNA-Interferenz, kurz RNAi. (8) Vereinfacht wird das im folgenden Video dargestellt:

Damit haben wir dann auch *schon* den Knackpunkt von Attilas AushilfsschreiberIn erreicht. Da wohl der Daisho aufgehört hat zu kicken, hat jene*r TastenschubbserIn übersehen, dass die RNAs aus den anstehenden Impfstoffen mRNAs sind und für Virus-Bestandteile kodieren. Diese viralen Proteinfragmente sollen schließlich in unserem Körper die Immunantwort auslösen. Hingegen sind siRNAs, wie sie durchaus im Pflanzenschutz eingesetzt werden, kürzer und in ihrer Sequenzrichtung dergestalt, dass sie *nicht* kodieren und stattdessen an mRNAs binden.

Wichtig für das grobe Verständnis dieser Vorgänge ist auch zu wissen, dass aufgrund der kurzen Sequenzen von siRNAs & miRNAs die Bindungen mit der eigentlichen Zielsequenz nur sehr schwach ausgeprägt sind. Für die Arbeit mit solchen Sequenzen ist es darum unerlässlich, dass jedes einzelne Nukleotid der Sequenz auf der Zielsequenz bindet – Fehlstellen schwächen diese Bindungen zusätzlich, so dass der Effekt meist nicht mehr messbar ist. Eine zufällige, ungewollte Funktion der geimpften mRNA als miRNA oder siRNA ist darum unwahrscheinlich.

Darüber hinaus stehen dank verschiedener Sequenzierungsprojekte umfangreiche Informationen zur Gesamtheit der menschlichen RNAs, dem Transkriptom, zur Verfügung. Es ist darum naheliegend, dass Forscher auf dem Gebiet der RNAs ihre millionenschwere Sequenzen vorab auf mögliche Bindestellen gegengeprüft haben.

Wie bereits geschildert, lösen doppelsträngige RNAs in der Zelle Prozesse der RNA-Interferenz (RNAi) aus. Doch nicht nur zelleigene Gene können auf diese Weise in ihrer Übersetzung gehemmt werden – auch durch Viren in die Zelle eingeschleuste RNAs werden bei Bindung an eine komplementäre Sequenz durch RNAi stillgelegt. RNAi stellt sich als natürlicher Mechanismus der Genregulation in nahezu allen Organismen heraus, der auch zur Abwehr fremder RNA, z. B. von Viren, dienen kann.

Dieses Wissen um RNAi macht man sich zum Beispiel in einer vielversprechenden neuen Art des Pflanzenschutzes zu Nutze. Hierbei werden Pflanzenschutz-Vakzine auf Basis doppelsträngiger RNA auf Pflanzen ausgebracht, um bestimmte Schädlinge zielgenau zu bekämpfen. (10)

Aber nun ja. Wäre, Wäre Fahradkette. Zum Glück haben wir unter unseren Masken immer noch ein paar Augen auf Attila und seine geistigen Auswüchse und helfen hier gern immer wieder nach.

TL;DR

mRNAs aus den Impfstoffen haben mechanistisch nichts mit den RNAs aus dem Pflanzenschutz gemein und führen in der realen Welt nicht abwechselnd zu Verchipung oder Unfruchtbarkeit.

  1. https://anonleaks.net/2020/hintergruende/hipp-hipp-hurra-rna/
  2. https://de.wikipedia.org/wiki/Epigenetik
  3. https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtcodierende_Ribonukleins%C3%A4ure
  4. https://de.wikipedia.org/wiki/Genetischer_Code
  5. https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/transkriptionskontrolle/67280
  6. https://www.spektrum.de/lexikon/biologie/translationskontrolle/67285
  7. https://de.wikipedia.org/wiki/Antisense-RNA
  8. https://de.wikipedia.org/wiki/RNA-Interferenz
  9. https://youtu.be/cL-IZnpY6Qg
  10. https://www.pflanzenforschung.de/de/pflanzenwissen/journal/pflanzenschutz-ohne-chemie-rna-impfung-gegen-krankheits-10917