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Hintergründe OpTinfoil

Hipp, Hipp, Hurra – RNA!

Wir schreiben Montag, den 9. November 2020. In einer vielbeachteten Pressemitteilung präsentieren Pfizer & BionTech als erste die vorläufigen Ergebnisse einer Phase 3-Studie zur Wirksamkeit ihres Impfstoffkandidaten gegen Sars-Cov-2 . Beste Zeit also, sich mit den Grundlagen dieser neuen Technologie zu beschäftigen

Der nachfolgende Artikel stellt weder ein erschöpfendes Gutachten zur allgemeinen biologischen Sicherheit von Impfstoffen noch einen umfassenden Überblick aller Wirkstoffe dar. Dafür gibt es zahlreiche andere Quellen sowie Forscher und Spezialisten, die sich diesen Fragen hauptberuflich widmen. Hier geht es im Rahmen unserer #OpTinfoil darum, den falschen Behauptungen aus dem Dunstkreis der Corona-Gegner fundiertes Faktenwissen entgegenzustellen. In diesem Sinne: frohes Recherchieren!

In Kreisen von Verschwörungsmystikern sind Impfungen seit jeher ein gern verschrienes Thema. Mit den neu aufkommenden RNA-Impfstoffen erhält der Mythos eine neue Wendung, denn Alternativmediziner warnen nun, dass Impfschäden nicht mehr „ausgeleitet“ werden können – was auch immer das sein soll. Ihre Begründung: die RNAs der Impfstoffe würden sich dauerhaft in unser Ergbut integrieren.

Was ist dran an diesem Mythos und dürfen wir als langjährige Fans von Avengers, X-Men & Co nun bald auf Superkräfte hoffen?

Die knappe Antwort auf diese komplexe Fragestellung lautet: Nein!

Im gleichen Atemzug muss erwähnt werden: Homöopathie wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus! (2,3)

Doch holen wir in diesem spannenden Thema etwas weiter aus. Hiernach liest sich die Geschichte wie folgt:

Täglich ist unser Körper verschiedenen Umweltreizen ausgesetzt. Um angemessen auf verschiedene Umwelteinflüsse reagieren zu können, hat unser Körper gelernt, zwischen „selbst“ und „fremd“ zu unterscheiden. In der Erkennung und Bekämpfung körperfremder Stoffe spielt unser Immunsystem eine entscheidende Rolle. Denn dank unseres hochentwickelten Immunsystems ist unser Körper in der Lage, eingedrungene Stoffe aller Art zu erkennen und so u.a. bakterielle oder virale Infektionen zu bekämpfen (4).

Aus unterschiedlichen Gründen (z.B. geschwächtes Immunsystem oder gefährliche Spätfolgen wie bei Masern) ist es nicht immer erstrebenswert, einen Infekt vollständig zu durchlaufen. An dieser Stelle kommen Impfungen ins Spiel.

Aktive und passive Immunisierung

Die einfachste Form der Impfung ist die Injektion von Antikörpern, die direkt gegen den aktuellen Erreger gerichtet sind. Als hochspezialisierte Eiweiße (Proteine) zirkulieren Antikörper (egal ob aus eigener Produktion oder injiziert) in Blutstrom und Lymphe und heften sich mit ihren spezifischen Bindestellen an körperfremde Stoffe. Durch die Bindung von Antikörpern werden Erreger immobilisiert und inaktiviert, woraufhin sie keinen weiteren Schaden im Körper anrichten können.

Bei der Impfung mit Antikörpern wird das körpereigene Immunsystem nicht aktiviert man spricht darum von einer „passiven Immunisierung“. Da die injizierten Antikörper nach einer Weile wieder abgebaut werden, ist der Impfschutz nur von kurzer Dauer. Zum Einsatz kommt die „passive Immunisierung“ u.a. bei Tetanus und Tollwut.

Einen deutlich längeren Schutz vor Erregern bringt die „aktive Immunisierung“. Hierbei werden im klassischen Sinn statt der fertigen Antikörper sogenannte Antigene der Erreger injiziert. Diese Antigene können ganz unterschiedlicher Herkunft sein. Im einfachsten Fall ist es der originale Erreger oder dessen abgetötete Partikel. Um die Sicherheit beim Impfen zu erhöhen, werden häufig aber auch nur spezifische Teile der Oberfläche von Erregern injiziert.

Der generelle Vorteil dieser Impfung besteht darin, dass nach Injektion dieser Partikel eine vollständige Immunantwort im Körper aktiviert wird. Dies schließt nicht nur die Bildung und Aktivierung von Antikörpern ein, sondern auch die Entstehung von sogenannten „Gedächtniszellen“. Diese sorgen dafür, dass unser Immunsystem über einen deutlich längeren Zeitraum den Erreger erkennen und bekämpfen kann.

Bei einer „aktiven Immunisierung“ trainieren wir also unser Immunsystem gegen harmlose Sparingspartner, um für eine echte Infektion vorbereitet zu sein. Auf diese Art und Weise konnten viele gefährliche Infektionen stark eingedämmt oder gar ausgerottet werden (5,6). Neueste Studien zu Sars-CoV-2 zeigen, dass bei Patienten auch mehrere Monate nach Infektion noch aktive Gedächtniszellen vorliegen (7). Diese und andere Ergebnisse heitern die Aussicht auf einen erfolgreichen Impfstoff stark auf.

Mehr Informationen zu Impfung findet ihr unter (8). Eine detaillierte Übersicht zum aktuellen Stand der unterschiedlichen Sars-CoV-2-Impfstoffe findet sich unter (9).

Aber was ist denn nun mit RNA-Impstoffen?!

Die Hülle von Erregern – genauer gesagt: darauf befindliche Oberflächenmoleküle- bestehen zu einem Großteil aus Proteinen. Wie wir wissen, wird die Sequenz und damit die Eigenschaft von Proteinen in Form der DNA (im Deutschen auch: DNS) codiert. Diese DNA liegt bei Viren und Bakterien innerhalb des Erregers. Bei uns Menschen (als Angehöriger der Eukaryoten) liegt die DNA gesondert geschützt im Zellkern vor.

Möchte ein Organismus (ob Bakterie oder Mensch) ein benötigtes Protein herstellen, wird eine temporäre Abschrift der DNA-Sequenz angefertigt, die als Vorlage in mehreren Kopien für die Proteinsynthese zur Verfügung steht. Diese Abschrift heißt RNA (im Falle der Proteinsynthese genauer gesagt: Boten-RNA; im englischen messenger RNA und darum mRNA) und wandert für die Proteinsynthese beim Menschen vom Zellkern in das Zytosol.

RNA ist in ihrem chemischen Aufbau der DNA ähnlich, aber eben nicht gleich – sie ist deutlich instabiler und damit kurzlebiger. Dies ist für viele regulatorische Prozesse innerhalb der Zelle essentiell! Neben der mRNA für die Proteinbiosynthese gibt es noch viele weitere biologisch aktive RNAs – wer mehr über funktionelle RNAs lernen will, schaut hier (10).

Im Zytosol angekommen, wird die mRNA in ihr entsprechendes Protein übersetzt und gut reguliert abgebaut (11); mRNA geht NICHT zurück in den Zellkern und kann sich NICHT in DNA bzw. unsere Gene integrieren.

Dies gilt als zentrales Dogma in der Molekularbiologie (10). Von diesem Dogma können lediglich Retroviren oder Molekularbiologen abweichen. (Okay, fast alle Molekularbiologen. Der „weltbesteste Eckert bekannte“ und zu Recht öffentlichkeitsscheue Lanka und andere Schwurbler können nix. zwinkersmiley)

Beide Vertreter dieser Spezies, die Molekularbiologen und Retroviren, verwenden einen zusätzlichen Mix aus hochspezialisierten Enzymen, aus hochspezialisierten Enzymen, welche RNA aus dem Zytosol zuerst wieder in DNA umschreiben (reverse Transkription), diese durch weitere Enzymaktivitäten in den Zellkern schleusen und schlussendlich in die DNA der Wirtszelle integrieren (13, 14). Die bekanntesten Beispiele für Retroviren sind Herpes Simplex und HIV.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es auch in menschlichen Zellen Enzyme aus der Klasse der reversen Transkripasen gibt: diese humane Telomerase Reverse Transkriptasen (hTERT) sind in Stammzellen aktiv und dienen hier der Erhaltung schützender Endstrukturen von Chromosomen – den Telomeren. An diesen Enden nutzt hTERT eine eigene kurze RNA-Sequenz, um über reverse Transkription die Enden von DNA-Doppelsträngen zu erhalten.

Wichtig für das Thema RNA-Impfung ist zu wissen, dass keines dieser Enzyme (reverse Transkriptase, Integrasen, Helicasen und wie sie alle heißen) Teil des Impfstoffes sein werden! Aufgrund der sehr spezifischen RNA-Sequenz der körpereigene hTERT findet keine Bindung und DNA-Übersetzung der geimpften RNAs statt. Darüber hinaus fehlen weitere Enzymaktivitäten, die eine theoretisch übersetzte DNA-Impfsequenz in die DNA der Wirtszelle integrieren könnten.

Da die zahlreichen Prozesse um DNA-Synthese, DNA-Reparatur, Telomererhaltung, Transport-Mechanismen zwischen Zellplasma und Zellkern etc. pp sehr gut studiert und verstanden sind, werden die möglichen Wechselwirkungen mit RNA-Impfstoffen während der Wirkstoffentwicklung sehr genau unter die Lupe genommen.

Warum RNA-Impfstoffe?

Für die „aktive Immunisierung“ ist die Injektion von RNA interessant, weil sie im Gegensatz zur Injektion körperfremder Eiweiße oder Partikel eine bessere Verträglichkeit verspricht. Darüber hinaus könnten in der Impfstoffproduktion aufwendige Schritte in der Herstellung und Aufreinigung eben jener benötigten viralen Eiweiße entfallen, was eine deutlich schnellere Verfügbarkeit bei geringeren Kosten mit sich bringen würde.

Eine Möglichkeit die benötigten RNAs in die Zellen als ihren eigentlich Wirkungsort einzubringen ist, RNAs in winzige Fetttröpfchen („Liposomen“ oder „Lipid-Nanopartikel“) einzupacken und zu injizieren. Auf dieser Technologie basiert zB der Impfstoffkandidat BNT162b2 von Pfizer & BionTech (15).

Auch hier ist es dank der aktuell hohe Schwurbeldichte wichtig, anzumerken: „Nano“ kommt aus dem griechischen und bezeichnet das Milliardstel (10^-9) einer physikalischen Einheit also winzigst klein. Es hat nichts mit verschwörerischen Nanotechnologien zu tun!

Die im (winzig kleinen!) Fetttröpfchen enthaltenen RNAs codieren für bestimmte Oberflächenprotein von Erregern. Nach Injektion verschmelzen diese Fetttröpfchen mit den Lipidmembran von Zellen, woraufhin die RNAs in das Zellplasma abgegeben werden. Was folgt, ist die Übersetzung der geimpften mRNAs in Erreger-Bestandteile mit Hilfe der zelleigenen Maschinerie.

Nach Freisetzung der Virusfragmente wird eine typische Immunreaktion hervorgerufen. Im Gegensatz zum eigentlichen Erreger, werden bei der Impfung jedoch nur die RNA-Sequenzen einiger weniger Hüll-Bestandteile verabreicht & hergestellt, was den Krankheitsverlauf inkl. Virus-Vervielfachung & Virus-Verbreitung stark abmildert. Da keine vollständigen Viruspartikel hergestellt werden, ist man auch nicht ansteckend!

Nach einiger Zeit werden die aufgenommenen RNAs entweder wie normale körpereigene RNAs abgebaut oder gehen mit dem Tod der infizierten Zelle verloren.

Wir erinnern uns: die Aufnahme der injizierten RNAs und Übersetzung in Proteine finden lediglich im Zellplasma statt. Ein zufälliger Übertritt von RNAs in den Zellkern ist durch zelleigene Kontrollmechanismen nahezu ausgeschlossen.

Darüber hinaus kann RNA nicht in die DNA unseres Genoms eingebaut werden und eine Übersetzung von RNA durch zelleigene reverse Transkriptase in DNA ist mechanistisch ausgeschlossen.

Die Entstehung von genetisch veränderten Menschen und fantastischen Mutanten ist durch die geplante Impfung mit RNA-Impfstoffen darum leider nicht zu erwarten (s.a. 16, 17, 18).

Sollte es dennoch einem bösartigen Genie gelingen, durch die Verwendung 5G-aktivierter adrenochromhaltiger Pi-Impfstoffe die geimpften Sequenzen in zelluläre DNA einzubauen, wird sein diabolischer Plan leider daran scheitern, dass nur ein paar wenige Zellen um die Stelle der Injektion die RNAs aufgenommen haben werden. Anstatt zu willfährigen Corona-Zombies zu mutieren, werden die derart mutierten Zellen in einem makroskopisch vollkommen unspektakulären Zelltod eintreten, weil sehr wahrscheinlich überlebenswichtige Sequenzabschnitte der Wirtszellen unterbrochen wurden.

Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es noch keine zugelassenen RNA-Impfstoffe. Erste genbasierte Impfstoffe (zB gegen Tollwut, Zika, Chikungunya, Cytomegalie, Influenza ) befinden sich noch in unterschiedlichen Phasen vorklinischer & klinischer Tests (19, 20).

Nun waren diese Ausführungen sehr detailliert und dennoch sind sie notwendig. Denn entgegen den vereinfachten Halbwahrheiten in den Predigten von Esotherikern und Verschwörungsmystikern sind die Zusammenhänge unseres stetig wachsenden Weltwissens sehr komplex und wir kommen als Gesellschaft nicht weiter, wenn wir einfach die Augen davor verschließen.

TL;DR

Homöopathie wirkt nicht über den Placeboeffekt hinaus!

Durch Impfungen können zahlreiche Infektionen erfolgreich bekämpft werden, und RNA aus Impfstoffen kann sich nicht in unsere DNA einbauen.

Auf neue Superkräfte werden wir weiterhin warten müssen.

Außerdem: Folgt nicht den Rattenfängern mit ihren einfachen „Wahrheiten“! Denn:

„Für jedes komplexe Problem gibt es eine einfache Lösung, und die ist falsch.“

— Umberto Eco

Zum Nachlesen und weiterforschen:
(1) https://www.pfizer.com/news/press-release/press-release-detail/pfizer-and-biontech-announce-vaccine-candidate-against
(2) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5366148/
(3) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4326322/
(4) https://de.wikipedia.org/wiki/Immunsystem
(5) https://www.dw.com/de/ganz-afrika-f%C3%BCr-polio-frei-erkl%C3%A4rt/a-54694451
(6) https://www.spektrum.de/magazin/die-ausrottung-der-pocken/823065
(7) https://www.deutschlandfunk.de/immungedaechtnis-bei-covid-19-t-zellen-koennten-dauerhaft.676.de.html?dram:article_id=482657 
(8) https://de.wikipedia.org/wiki/Impfung
(9) https://www.nytimes3xbfgragh.onion/interactive/2020/science/coronavirus-vaccine-tracker.html
(10) https://de.wikipedia.org/wiki/Ribonukleins%C3%A4ure
(11) https://de.wikipedia.org/wiki/Protein#Proteinbiosynthese
(12) https://de.wikipedia.org/wiki/Zentrales_Dogma_der_Molekularbiologie
(13) https://de.wikipedia.org/wiki/Reverse_Transkriptase
(14) https://en.wikipedia.org/wiki/HIV_integration
(15) https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=BNT162b2
(16) https://www.aerzteblatt.de/archiv/214122/Genbasierte-Impfstoffe-Hoffnungstraeger-auch-zum-Schutz-vor-SARS-CoV-2 
(17) https://www.trillium.de/zeitschriften/trillium-immunologie/archiv/ausgaben-2019/heft-32019/aus-der-grundlagenforschung/design-und-funktionsweise-von-mrna-basierten-impfstoffen-zum-schutz-vor-infektionskrankheiten.html 
(18) https://www.mdr.de/wissen/corona-gentechnik-risiko-rna-impfstoff-100.html 
(19) https://www.sciencemediacenter.de/alle-angebote/fact-sheet/details/news/wie-berechtigt-sind-hoffnungen-auf-rna-impfstoffe-gegen-sars-cov-2/ 
(20) https://transkript.de/news/erfolg-fuer-curevacs-neuen-tollwutkandidaten.html