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Merz und die Mär vom großen Austausch

Die Merz’sche CDU fischt im Internetz am rechten Rand nach Daten, direkt am Datenschutz vorbei. Wir „fischen“ mit … Anon-Style

Der Versuch der CDU, die AfD rechts zu überholen, ist so frustrierend wie unterhaltsam. Kommen dann noch Fake News, ein Datenschutzskandal und schlecht programmierte Formulare einer Agentur für rechts-konservative Kampagnen dazu, gibt es für uns nur eine Reaktion: Kapuze über den Kopf, Popcorn aus dem Eisfach und ein Script bauen. Mit einer Zeile, das reicht hier völlig.

Aber von vorn.

Der CDU sterben die Wähler weg, die jungen Generationen werden weniger konservativ im Alter also greift die Union zum selben Trick wie die Republikaner in den Vereinigten Staaten: Man tauscht den langweiligen, konservativen Lack gegen einen neuen, schrillen und seine alte, langweilige Wählerschaft gegen eine jüngere, radikalere, emotionalisierte, die sich mit billigstem Populismus immer wieder mobilisieren lässt.

So weit, so durchschaubar. Nur hat die CDU, im Gegensatz zur GOP, dabei ein Problem: Es gibt bereits Parteien, die diese Nische sehr effektiv besetzen. Allen voran die AfD, in jüngster Zeit auch neue Erscheinungen wie die Schwurbelpartei die Basis. Wenn man diese junge – also im Vergleich junge – Zielgruppe als neue Wählergruppe gewinnen kann, ist die Machtbasis gesichert. Die Großspender aus dem Energie-, Fleisch- und Verkehrssektor freut es auch, denn die Interessen sind quasi deckungsgleich. Mehr Verbrenner, mehr zentralisierte Energiesysteme, mehr billiges Fleisch, alles bleibt, wie es schon immer hätte sein sollen.

Studien zeigen, dass diese Strategie nicht funktioniert und statt dessen die Positionen der AfD legitimiert werden und diese wächst.

Da man sich im Neuland immer noch nicht auskennt, nutzt man dafür eine Agentur, CamBuildr, die schon Jungkanzler Kurz an die Macht gehievt haben will. Wie erfolgreich die Strategie von Merz und Zusammenarbeit mit CamBuildr ist, wurde bereits bei der letzten Landeswahl in Sachsen mit Ministerpräsident Kretschmer bewiesen, dort verlor die AfD einen Großteil der Stimmen an die CDU und … OH WAIT.

Gut, das hat jetzt nicht so geklappt, aber diesmal klappts bestimmt. Ganz sicher. Wirklich.

ODER?

Die CDU poltert nun mit absurden Rechnungen gegen den Austausch von fossilen Heizungen zu Wärmepumpen und sucht mit emotionalisierenden Bildern traurig guckender alter weißer Männer mit Existenzangst nach Kontaktdaten, um diese dann and ihre Landesverbände weiterzugeben. Also nicht. Oder doch. Je nachdem, wen man wann fragt.

Nutzt man dafür dann auch noch ein Formular ohne Captcha und Filterung im Backend, wird es interessant. Erstmal dem BfDI Bescheid sagen, die sollen sich das mit der Datenschutzerklärung mal anschauen. (Dank an hoywoj.)

Lest ruhig den gesamten Thread

Und warum Umwege gehen, wenn man dafür die CDU Kampagne selber nutzen kann? Schließlich schickt die ja bei Eintragung eine Email mit Bestätigungslink an die eingetragene Adresse.
Der BfDI hat viel zu tun, deshalb gehen wir auf Nummer sicher und schicken das Formular etwas öfter ab, auch an die zuständige Berliner Datenschutzbehörde. Jedes mal geht eine Email raus, insgesamt so etwa 10000 Stück.

Anscheinend kamen sie auch an, jedenfalls wurde eine Prüfung eingeleitet.

Unser heimlicher Hofberichtserstatter Lars Wienand interessiert sich auch für solche Themen, also haben wir auch ihm auf diesem Weg einen kurzen Tipp gegeben. Nachdem er irritiert darüber und sogar von Folge-Emails der CDU berichtete, haben wir uns das noch näher angeschaut und sind vor Lachen fast aus dem Beanbag gerollt:

Die genutzte API für die Kampagne registriert nicht nur ein und dieselbe E-Mail beliebig oft. Wenn man einmal einen Bestätigungslink betätigt, gelten auch alle Duplikate als bestätigt und senden ihren Kampagneninhalt. Warum man etwas so baut? Die Frage wird sich Herr Schindler – „Longstanding mastermind behind the Cambuildr. Was involved in the development as a lead developer from the start and is an expert in functionality and performance optimization.“ – bei CamBuildr stellen lassen müssen, zusammen mit dem viel größeren Problem:

Die API gibt auch den Status der Registrierung zurück. Trägt man eine neue Emailadresse einmal oder mehrmals ein, gibt die API den Status „Opt-In-Pending“ zurück. Bei Lars Wienand ergab ein zweiter Test allerdings den Status „Ok“. Haben wir getestet, 125 mal, nur um sicher zu gehen, sorry Larsimaus :*

Wir können also einfach testen, wer seine Teilnahme an der Kampagne bestätigt hat!

Und, wenig überraschend, Friedrich „Neulandtourist“ Merz hat seine Teilnahme bestätigt.

Was für eine einmalige Gelegenheit, die Austausch-Strategie der CDU zu testen!

Wenn die Strategie der CDU aufgehen soll, bei Rechten und Schwurblern nach Stimmen zu fischen, sollten doch wenigstens einige von ihnen an der Kampagne teilnehmen. Schließlich LIEBEN diese Menschen es doch, mit Teilnahme an nicht-repräsentativen Meinungsbildern eine empörte Mehrheit zu simulieren.

Wir haben uns also gut 2000 geleakte Emailadressen von Teilnehmern einer AfD-Veranstaltung genommen, dazu gut 12500 E-Mailadressen von Mitgliedern der Basis. Wieviele davon haben an der Kampagne teilgenommen? Ok, ok, jetzt alle. Aber bestätigte Teilnahmen? Ein Zeichen dafür, dass sich ein Teil dieses Wählerspektrums abwerben ließe?

Was schätzt ihr? 10%? 2%? Die Hälfte?

Es sind…

Trommelwirbel…


0


Von fast 15000 Menschen, die man vorsichtig-freundlich als Mischung aus rechts-konservativ, Klimawandel-ignorierend, Fossil-offen und politisch sehr motiviert und aktivierbar bezeichnen kann, also die ideale Zielgrupe für eine derartige Kampagne, hatten 0 ein Interesse an der Kampagne der CDU, die zu dem Zeitpunkt reichlich öffentliches Interesse geweckt hat. Null. In Prozent sind das… auch 0.

Läuft mit der Strategie von CDU und CamBuildr. Wie läuft es eigentlich gerade in Sachsen? Achja. In Bayern kuschelt die CSU mit dem Faschisten DeSantis, übernimmt dessen Talkingpoints gegen trans Personen und opfert dann rum, wenn sie vom CSD ausgeladen wurde, und Kuban hetzt die Meute gegen kleine Kitas, Spahn stellt die Genfer Flüchtlingskonvention infrage, man feiert die Koalition von Christdemokraten und Postfaschisten in Italien. Welche Gesellschaft soll das anziehen?

In einem Zwei-Parteien-System wie den USA kann eine fundamentalistische Minderheit eine gesamte Partei in Geiselhaft nehmen und deren Kurs weit nach rechts rücken, selbst wenn es dazu führt, dass gemäßigte Konservative irgendwann frustriert-angeekelt den inhaltlich kurzen Schritt zu den Demokraten machen und die GOP weiter in den Nachteil zur nächsten Wahl bringen.
Für die CDU sieht es noch düsterer aus. „Links“ warten SPD und Grüne auf gemäßigte Stimmen und „rechts“ sind Rechte, Schwurbler, Libertäre schon so radikalisiert, dass die CDU keinen Blumentopf gewinnen wird.

Liebe CDU, vielleicht tauscht ihr eure Strategie aus, bevor ihr so tief sinkt und kleine Anfragen zum „großen Austausch“ in Sachsen stellt um mit AfD-Taktiken gegen die AfD zu gewinnen.

Und bei der Gelegenheit tauscht auch eure Agentur.

Oh, und ihr habt 15000 Menschen aus AfD und Basis ungefragt angeschrieben und in der Datenbank stehen, vielleicht löscht ihr diese toten Fische besser komplett. Man hört, die Datenschutzbehörden sind gerade nicht gut auf euch zu sprechen 😉