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Poschardts Scangate

Ulf Poschardt ist Chefredakteur eines Springerblättchens, der schon öfter auffiel. „Scangate“ ist da nur ein kleiner Hasenschiss.

In der Springer-Welt gehen die Uhren anders. Und die Scanner laufen unrund. Und Poschardt.

Da meinte er, einen Kommentar zu Nancy Faesers Gast-Artikel in einer Schrift des „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN BdA e.V.) kommentieren zu müssen – keineswegs inhaltlich, es geht um den NSU 2.0, nur wegen des Mediums – und die Welt greift dabei ins Klo. Denn die erste Version sah so aus …

„super Holocaust-Überlebenden und deren PR-Abteilungen in der ARD“ … klingt schon schräg, ist angesichts der Geschichte des VVN-BdA jedoch nicht angemessen. Schließlich gehören zu den Mitgliedsverbänden auch die Lagergemeinschaften ehemaliger Häftlinge aus den Konzentrationslagern. Doch der VVN-BdA triggert halt seit langem die Unionspolitiker und andere Akteure am rechten Rand. Da passte es ganz gut, dass das Landesamt für Verfassungsschutz im unionsgeführten Bayern den Verband in seinem Verfassungsschutzbericht erwähnt hatte. Die Folge: zeitweilige Entziehung des steuerlichen Gemeinnützigkeits-Status (mittlerweile wieder vollständig zugesprochen) und Futter für diejenigen, die Engagement gegen Faschismus für generell linksradikal halten und ignorieren, dass auch schon CDU-Politiker im Bundesvorstand waren. Und dass Adenauer Mitglied war. Und wie Poschardt meinen, dass dieser „einst verdienstvolle Verein, von Holocaust-Überlebenden gegründet“, zum „trojanischen Pferd geworden“ ist, „um den abstrakten Kampf gegen den Faschismus zum Kampf gegen die parlamentarische Demokratie auszuweiten“.

Merken wir uns das kurz bitte mit dem Kampf gegen die parlamentarische Demokratie, okay?

Sicher kann man es kritisieren, dass DKP-Mitglieder in diesem Verband aktiv sind, wenn man möchte. Aber dann vergisst man, dass auch die Kommunisten zu den Verfolgten des Nazi-Regimes gehörten und in KZs starben. Und dass auch Kommunisten sich gegen diese Art des Faschismus engagieren. Also für den lediglich „abstrakten Kampf“, wie Poschardt meint.

Doch ist wirklich das mit den „super Holocaust-Überlebenden“ der einzige Aufreger in der Einleitung des Artikels? „Es gibt einen Kampf gegen rechts […] und eine Toleranz gegen Linksradikalismus“, der Bundeswehr-Heini Marcel Bohnert, der gerne Mal Posts im Dunstkreis der Identitären Bewegung liked und dafür von Poschardts Rechts-Troll Rainer „Don Alphonso“ Meyer in Schutz genommen wurde, sei ein unbescholtener Bundeswehroffizier und den Corona-Demonstranten wird die „Nähe zu mitlaufenden irren Rechtsradikalen angekreidet“. Nun denn.

Ein typischer Poschardt-Twist.

In einer zweiten Version sah die Einleitung dann so aus.

Und die Erklärung der Welt so:

Seltsam nur, dass in der Online-Version auch der Part mit Marcel Bohnert und den Corona-Demonstranten wegfiel. War für online wohl immer noch zu viel.

Na sei’s drum, Welt sollte mal prüfen, wie viele ihrer reißerischen und populistischen Schriftwerke noch so auf einen Digitalisierungsfehler zurückzuführen sind. Da scheint die Digitalisierungsfehler manchmal regelrecht durchzudrehen.

Okay, so ein Digitalisierungsfehler ist schwer nachzuvollziehen für alle, die schon gescannt und danach bearbeitet haben, aber Fehler passieren. Und die Printausgabe der Welt am Sonntag, aus der das angeblich stammt, scheint diese Version mit dem Scanfehler zu bestätigen, wenn hier nicht noch schnell der Druck angehalten wurde …

Poschardt also vindicated? Entlastet? Alles halb so wild?

Falsch.

Vergesst es, denn die Tatsache, dass man ihm einen solchen Text zutraut, lässt schon tief blicken. Und es sind noch deutlicher Unterschiede zwischen Online und Print. In der Online-Ausgabe heißt es

Dieser einst verdienstvolle Verein, von Faeser gegründet, …

In der Welt am Sonntag stand noch korrekt:

Dieser einst verdienstvolle Verein, von Holocaust-Überlebenden gegründet, …

Der „Fehler“ ist mittlerweile beseitigt worden.

Wer Ulf „Büdde nüch“ Poschardts Arbeit aufmerksam verfolgt – und wir tun dies, er ist Chefredakteur einer großen Druckwurst und hat mit dem mittlerweile aus der Fachjury des „Medienpreis Parlament“ entfernten Don Alphonso (Quelle 19. Wahlperiode) einen rechtsdrehenden Trollarmy-Leader als Sidekick -, der wundert sich über nichts mehr. Der Chefschreiber des Springer-Druckerzeugnisses „Welt“ ist schon durch so manche Aussage aufgefallen. Dass er Fan von Sebastian Kurz ist, wird dabei noch schmunzelnd hingenommen, wer mag den nassgekämmten Jüngling nicht? Spaß!

Mehr Stirnrunzeln erzeugte da schon, dass er jemanden wie Peter Thiel als „Genie“ bezeichnet. Wir wollten uns ja das mit dem Kampf gegen die parlamentarische Demokratie gemerkt haben.

Peter Thiel, Mitgründer von PayPal und dem obstrusen Data-Mining-Spezialisten Palantir, Milliardär und wichtiger Financier der radikalen Rechten in den USA mit Verbindungen zu White Nationalists, ist nach eigener Aussage der Auffassung, Freiheit und Demokratie seien nicht kompatibel. Mehr noch: Thiel bekennt sich zum Libertarismus während er gleichzeitig die Politik des freien Marktes ablehnt, da freier Wettbewerb Profite senke. Wettbewerb sei etwas für Verlierer, deshalb rät er Firmengründern, durch innovative Technologien Monopole aufzubauen, die er als Fortschrittmotoren propagiert.

Ein Genie, findet Poschardt, und er stört sich nicht an Geldern für White Nationalists, die Finanzierung von „Big Lie“-Apologeten und an antidemokratischen Äußerungen, er stört sich nicht an gegen die freie Marktwirtschaft gerichteten Aussagen Thiels. Ein Genie.

Poschardt stört sich überhaupt an recht wenig „on the right side of the aisle“. Ezra Levant ist ein kanadischer Aktivist, der zum „far-right“-Spektrum gezählt wird und dessen Mediengründung „Rebel Media“ hauptsächlich eine Plattform für eine Anti-Muslim-Ideologie am rechten Rand, den sogenannten Counter-Jihad, ist. Levant bezeichnet sich selbst auch als „libertär“, somit passt es, dass Poschardt ihn mag und retweeted.

Den Tweet ließ er allerdings schnell wieder verschwinden.

Viele fanden auch, der Tweet zu den Parlamentsdichtern sei geschmacklos, den jüdischstämmigen Autoren hervorzuheben und das „bereit“ in „b’reit“ zu ändern, sei ein Anklang an B’nai B’rith, die als geheime Loge gegründete jüdische Organisation, denn von Reim und Versmaß her sei diese E-Auslassung nicht notwendig.

Nein, Poschardt ist nicht vindicated. Er ist noch nicht als geheilt entlassen. Bei seiner Kritik an Nancy Faesers Artikel geht es gar nicht um Inhaltliches. Es geht um das Medium der Veröffentlichung. Denn das sei ja linksradikal und von Linksextremen unterwandert. Für Poschardt ist rechts immer einfach nur rechts, aber alles Linke immer gleich linksradikal oder linksextrem. Denn zeitgleich wird nicht kritisiert, dass CSUler und Innenpolitiker wie Stephan Mayer, der schon in die Maskenaffaire verstrickt war, überhaupt mit einem Medium wie Junge Freiheit spricht, einem Medium, das regelmäßig im Verfassunsschutzbericht des Landes NRW als „rechtsextremistische Bestrebung“ auftauchte, bis es sich – siehe „Junge-Freiheit-Urteil“ – dort herausklagte.

Zweierlei Maß … Poschardt fordert von Politikern eine Abgrenzung vom Linksradikalismus. Dabei ist in Nancy Faesers Artikel über den NSU 2.0, von dessen Aktivitäten sie selbst betroffen ist, wahrlich nichts Linksradikales. Er selbst schafft es als zur Neutralität verpflichteter Journalist aber nicht mal ansatzweise, sich von der anderen Seite des politischen Spektrums abzugrenzen.

Oder was meinst Ulf, kimmt da no wos? Ne? Bist scho a rechter Schmierfink, ge?

Jaja, weiß scho … Meinungsfreiheit und so.


Update:

In einer ersten Version war von Scan die Rede. Dank Hinweisen aus den Kommentaren wurden wir erinnert, dass Digitalisierung nicht zwingend Scan sein muss.

Außerdem haben wir das mit der Vereinsgründung hinzugefügt.