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HendrikStreeck OpTinfoil

Hendrik Streeck: Von einem der auszog, die Seuche zu lehren …

… und ein Springerteufelchen wurde.

„Darüber hinaus wird Operation Tinfoil versuchen aufzuklären. Wir werden informieren nicht nur darüber, welche Mythen es gibt, wer die Verschwörer sind, sondern auch darüber, was tatsächlich dahinter steckt […]“

So steht es in der Hintergrundbeschreibung zu #OpTinfoil und vom schwurbelnden Chat-Admin über größenwahnsinnige Prediger bis zum Professor mit Dyskalkulie standen inzwischen viele Verschwörer in unserem Fokus.

Beobachtet man diese Blase eine Weile, so tauchen regelmäßig die gleichen Akteure an verschiedenen Stellen auf und man entwickelt ein Gespür für neue Schwurbelstars. Dennoch lässt sich die Grenze zwischen Schwurbel und Falschinformation nicht ganz scharf ziehen. Und so kommt es, dass ein Dauersender außerhalb des althergebrachten Schwurbelkosmos auch das Interesse von Teilen des Kollektivs geweckt hat – einfach weil er regelmäßig mit falschen Aussagen in den Medien auftaucht.

Hendrik Streeck studierte über einen kurzen Umweg Medizin an der Charité in Berlin. Nach seinem Abschluss absolvierte er mehrere Stationen in den USA wie der Harvard Medical School, dem  Walter-Reed-Militärkrankenhaus und der Johns Hopkins University, bevor er 2015 einem Ruf nach Essen folgte und dort den Lehrstuhl für medizinische Biologie übernahm. Noch im selben Jahr gründete er das Institut für HIV-Forschung. Zeit seiner akademischen Laufbahn – mit Beginn seiner Dissertation am Partners AIDS Research Center im Massachusetts General Hospital über die Berufung in das Kuratorium der Deutschen AIDS Stiftung bis hin zum Aufbau eines europäischen Netzwerks zur Prävention von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten 2019 – hat sich Professor Streeck der Erforschung und Bekämpfung des humanen Immunschwächevirus HIV gewidmet (Wikipedia).

Und dann?

Ja, dann kam 2020 und Corona. Seither ist es schwer, in den Medien an Hendrik Streeck vorbeizukommen – selbst, wenn man wollte.

In einer aus unterschiedlichen Gründen aufsehenerregenden Studie begaben sich Professor Streeck und sein Team in den damaligen Corona-Hotspot Heinsberg, um in bester Pioniermanier die wissenschaftliche Grundlage zur deutschen Pandemiebekämpfung zu liefern. So zumindest der Plan von Hendrik Streeck.

Doch irgendwo in diesem Dunst der akademischen Hemdsärmeligkeit bekommt der helle Stern des mehrfach ausgezeichneten Wissenschaftlers (Young Investigators Award 2005 – 2010, New Investigators Award,…) erste Flecken.

Heinsberg – die PR-Studie

Nicht nur, dass das Heinsberg-Protokoll eigentlich der Präzision halber Gangelt-Protokoll heißen sollte und einige Wissenschaftler schwere Mängel an der Datengrundlage des mittlerweile veröffentlichten Papiers kund getan haben („Die ungezählten Todesfälle aus Gangelt“). Nein, Hendrik Streeck entschied sich auch für etwas Unterstützung in dieser Arbeit. So wurde die Studie vom Land Nordrhein-Westfalen mitfinanziert (man liest von ca. 65.000 €), in dessen Expertenrat Hendrik Streeck auch sitzt. Darüber hinaus entschied sich Hendrik Streeck für zusätzliche Unterstützung durch StoryMachine, einer PR-Firma des ehemaligen BILD-Chefredakteur Kai Diekmann und dessen Mitgründern Michael Mronz & Philipp Jeßen.

Die Entscheidung für StoryMachine war für Hendrik Streeck vermutlich naheliegend, kennen sich Hendrik Streeck & Michael Mronz doch bereits seit Langem privat (Presseportal, Zeit.de). Nach Bekanntwerden und anhaltender Kritik will der sendungsbewusste Hendrik Streeck keinen Fehler darin erkannt haben, dass in einer aufkommenden Pandemie in Form von „Chief Strategy Officer & Partner“ Michael Paustiak Axel Springer-Redakteure eine wissenschaftliche Studie begleiten (Meedia), die Einfluss auf das gesamtdeutsche Pandemie-Konzept haben würde.

StoryMachine erstellte ein Drei-Phasen-PR-Script, das den Zeitplan für die Veröffentlichungen vorlegte. Auch wenn Daten noch nicht fertig ausgewertet waren.

Streeck selbst räumte am Karfreitag bei „Zeit online“ ein, die Studie sei „mit heißer Nadel gestrickt“ worden – und nannte auch einen Grund dafür: Man habe sie noch vor der politischen Entscheidung über einen verlängerten Shutdown nach Ostern vorlegen wollen. Zwei Tage später erschien dann ein Interview mit dem „Tagesspiegel“, in dem Streeck sein Vorgehen verteidigte. Darin erklärte der Forscher nun: „Die Veröffentlichung ist keinesfalls leichtfertig erfolgt. Wir haben bis in die Nacht auf Donnerstag darüber diskutiert, ob wir jetzt erste Daten präsentieren sollen.

Allerdings hatte die NRW-Landesregierung bereits am frühen Mittwochabend die Einladung für die Pressekonferenz am nächsten Vormittag verschickt, auf der „erste Zwischenergebnisse“ der Studie vorgestellt werden sollen. Auf Capital-Anfrage erklärte die Staatskanzlei, die Entscheidung für den Termin am Gründonnerstag sei „vonseiten der mit dem Forschungsprojekt Covid-19 Case-Cluster-Study befassten Wissenschaftler getroffen“ worden – also von Streeck und seinen Kollegen, die noch in der Nacht mit sich gerungen haben wollen, überhaupt Daten vorzulegen.

Tatsächlich stand der Termin Gründonnerstag aber auch schon im Storymachine-Konzept aus den ersten April-Tagen: Dort wird ein „Zwischenbericht“ bis Gründonnerstag geplant – als Abschluss der ersten von drei Kommunikationsphasen.

https://www.capital.de/wirtschaft-politik/corona-studie-der-plan-hinter-dem-heinsberg-protokoll/3 (Hervorhebungen durch uns)

Veröffentlichung nach PR-Skript statt auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse? Naja, da Hendrik Streeck sich gern als Pragmatiker geriert, wird ihn das nicht weiter gestört haben; wahrscheinlich fand er es auch nicht schlimm, dass das PR-Skript, entlang dessen seine Arbeiten in Heinsberg veröffentlicht wurden, vorab mehreren Sponsoren vorgelegt wurde (Capital).

Glaubt man den verfügbaren Informationen, fanden sich lediglich zwei Sponsoren, die – ja, was eigentlich? – sich für universitäre Wissenschaft interessierten? Gerne Geschichten aus Springer-Feder lesen? Oder vielleicht Interesse an den Ableitungen der Studienergebnisse hatten?

Was immer es gewesen sein mag – es waren dem Internetprovider Deutsche Glasfaser und der Gries Deco Company – NRW, das Land der Küchenbauer – eine 30.000€-Förderung wert (20T€ Deutsche Glasfaser & 10T€ Gries Deco, Pressesprecher). Begleitet vom großen öffentlichem Interesse dauert es auch nicht lang, bis die ersten Ergebnisse gesammelt und erste Bewertungen vorgenommen wurden. Es zeigt sich, dass vielerorts Spuren von Corona-Viren nachgewiesen werden konnten. Sehr früh im Pandemieverlauf kommen aber auch optimistische Nachrichten, so z.B. dass viele Infektionen symptomlos verlaufen, Oberflächen trotz RNA-Spuren keine Quelle für virulente Partikel sind und eine Ansteckung wohl nur von Mensch zu Mensch stattfindet.

Doch im gleichen Maße wie das PR-Skript zur Studie abgespult und Hendrik Streeck eine Konstante in den Deutschen Print- und Telemedien wird, wächst die Kritik an seiner Herangehensweise. Im Juli zieht er darum zumindest eine erste Konsequenz und beendet seine Kooperation mit StoryMachine.

Doch wer nun denkt, das ein erfahrener Wissenschaftler sich fortan auf sein akademisches Handwerk fokussiert und die Daten für sich sprechen lässt, hat sich in Hendrik Streeck geirrt. Denn dieser lässt sich von nun an von der PR-Agentur 3Winters beraten. Was auf den ersten Blick konsequent wirkt, bekommt mit dem zweiten Blick bereits wieder ein Geschmäckle, wenn man feststellt, dass Petra Winter – die Ehefrau des 3Winters-Geschäftsführers Wolfram Winter – die stellvertretende Chefredakteurin bei BILD unter Kai Diekmann war. Man kennt sich also mindestens auf Arbeitsebene und der Wechsel von Hendrik Streeck war lediglich eine kleine Rochade auf dem Springer’schen Spielfeld.

Wird einem die Verstrickung von Hendrik Streeck im Springerversum erst einmal bewusst, verwundern weder die zahlreichen Auftritte von Hendrik Streeck in der WELT noch die seltsamen Interaktionen zwischen Hendrik Streeck und WELT/N24-Geschäftsführer & Chefredakteur Ulf Poschardt auf Twitter wie in diesem Beispiel.

NRW – Laschets „Experten“-Rat

Aber nicht nur medial – egal ob klassisch oder sozial – ist Hendrik Streeck schier omnipräsent. Umtriebig und ehrgeizig wie er ist, hat er es auch zügig in den Corona-Expertenrat von NRW um Armin Laschet (CDU) geschafft.

Hach, der Expertenrat.

Man könnte meinen, in Zeiten einer gesundheitlichen Notlage werden politische Entscheidungen entlang medizinischer Empfehlungen getroffen. Außer Du bist Ministerpräsident mit Ambitionen auf den Parteivorsitz und einer Landtagswahl vor der Brust. Dann sitzen in Deinem Corona-Expertenrat auch das „rheingold Institut“ („tiefenpsychologischen Marktforschung für Markt- und Medienforschung“), das „Institut der deutschen Wirtschaft Köln“, die Firma TRUMPF – die 2017 der CDU Parteispenden in Höhe von 100.000 Euro zukommen ließ, der FDP 50.000 Euro -, die Deutsche Telekom AG (ihrerseits Experten auf dem Gebiet der Viren … oh wait) und Hendrik Streeck, eben jener nicht wirklich unabhängige Mediziner – einer von zwei Medizinern im 12-köpfigen Rat -, der seine Studie von Michael Mronz strategisch begleiten ließ. Von eben jenem Unternehmer Michael Mronz, der wiederum seit geraumer Zeit mit Ministerpräsident Armin Laschet fleißig die Werbetrommel für das Olympia-Projekt „Rhein Ruhr City 2032“ rührt, ein Projekt, über das 2021 entschieden werden soll und in dem sich inzwischen herauskristallisiert, dass das IOC mit Brisbane verhandelt.

An dieser Stelle sollte man sich der Ironie bewusst werden, dass Australien mit seinem #NoCovid-Konzept diametral zu den permanenten Öffnungsbestrebungen des Armin Laschet steht 🙂

Dampft man diese Melange etwas ein, so holt sich ein Ministerpräsident den befreundeten Virologen eines Projektpartners in den Expertenrat, dessen Empfehlungen maßgeblich auf einer Studie beruhen werden, die von beiden Projektpartnern mit 95.000 € bezuschusst wird.

Nun, wir sind arbeitsbedingt notorisch paranoid. Dennoch sieht Unabhängigkeit von Forschung und Wissenschaft für uns anders aus.

Hendrik Streeck & die Beiräte

Während sich Hendrik Streeck bis vor Kurzem noch stark für die Bekämpfung von HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten engagiert hat,

https://www.instagram.com/p/Bp7AP1MH2GF/?utm_source=ig_web_copy_link
https://www.instagram.com/p/Bq64ar3HvSi/?utm_source=ig_web_copy_link
https://www.instagram.com/p/BwEskoZhTyb/?utm_source=ig_web_copy_link

pflegt er zunehmend seine Kontakte zu Politik & Wirtschaft. Die privat gehegte Bekanntschaft zu Michael Mronz, dem Lebensgefährten des verstorbenen Guido Westerwelle (FDP), ist da sicherlich nicht hinderlich. Doch auch durch Eigenengagement werden sich einige Türen für Hendrik Streeck geöffnet haben. So zum Beispiel die Türen in die Beiräte von:

  • Janssen Vaccines & Prevention B.V.,
    „One of the focus points of Janssen Vaccines is the prevention of respiratory infections with RSV and influenza next to prevention of HIV and global emerging diseases like Ebola.“
  • Lysando AG
    „LYSANDO AG is the world leading company for the development of antimicrobial proteins to combat Gram-positive and Gram-negative pathogens“
  • Merck Sharp & Dohme 
    „MSD ist eines der weltweit führenden forschenden Gesundheitsunternehmen. Wir erforschen, entwickeln und produzieren Arzneimittel und Impfstoffe,…“
  • Seqirus Pty Ltd
    „Seqirus ist einer der weltweit größten Hersteller von Influenza-Impfstoffen.“
  • ViiV
    „ViiV Healthcare ist 2009 entstanden, indem GSK und Pfizer ihre jeweiligen HIV-Bereiche in das neue Unternehmen einbrachten“

*entnommen der Erklärung von Interessenskonflikten 2020

Aber auch sozial geht es für Hendrik Streeck steil bergauf. Und so wären in Hendrik Streecks Social Media-Profilen Fotos von Hendrik Streeck mit dem amerikanischen Botschafter Richard Grenell oder dem glücklichen Pärchen Hendrik Streeck & Paul Zubeil manche Bilder gar nicht der Rede wert, wenn… Ja, wenn man nicht Bilder auf dem StyleNite-Empfang von Hendrik Streeck mit Daniel Funke finden würde und wenn Daniel Funke nicht zufällig der Partner von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wäre, in dessen Ministerium Paul Zubeil jüngst eine Anstellung als Unterabteilungsleiter erhalten hat.

https://twitter.com/hendrikstreeck/status/1015352811205332998?s=20

Werfen wir unser Netz zu weit aus? Zubeil war der qualifizierteste Kandidat bei einer korrekt öffentlich ausgeschriebenen Stelle und das ist nicht zu beanstanden. Nur zeigt es, wie weitverzweigt das Netzwerk des Herrn Streeck ist.

Wir werden sehen, wohin die Kontakte von Hendrik Streeck in das Bundesgesundheitsministerium auf der einen Seite und seine Kontakte zu verschiedenen Pharmafirmen mit Covid19-Medikamenten im Portfolio auf der Andern führen. Denn auch wenn MSD (Merck) Anfang des Jahres 2021 das Aus für einen eigenen Corona-Impfstoff bekannt gegeben hat, so hat doch Johnson & Johnson in diesen Tagen die Zulassung auch für den europäischen Markt erhalten. Eben jenes Johnson & Johnson zu dessen Firma Janssen Pharmaceutical und somit auch Janssen Vaccines & Prevention B.Vgehören, welches ein früherer Projektpartner von Hendrik Streeck an der Universität Duisburg-Essen
war und in dessen Beirat Hendrik Streeck inzwischen nach eigenen Angaben sitzt. Da ist es vermutlich nur Zufall, das Hendrik Streeck am 5.3.2021 bei Maybrit Illner über einen möglichen Rückruf von AstraZeneca fabuliert … während er den von Johnson & Johnson über den grünen Klee lobte, bevor die etwas veröffentlicht hatten.

Seit wann Hendrik Streeck in den verschiedenen Beiräten sitzt, können wir bislang nicht sagen, da die uns nur die Auskünfte von 2018 & 2020 vorliegen und diese sich in den Formularfeldern unterscheiden.

Und darum können wir auch nicht sagen, was zuerst da war: Beiratstätigkeit bei Janssen oder gemeinsame Projekte in der HIV-Forschung. Fest steht, dass von Vorträgen und Seminaren über Studien bis hin zu Beiratstätigkeiten Hendrik Streeck auf vielen Ebenen mit Janssen Vaccines & Prevention B.V kooperiert und ein möglicher Interessenkonflikt besteht.

https://www.uni-due.de/2018-12-21-europaeisches-praeventionsnetzwerk-fuer-hiv-sti-infektionen

Auch zu Gilead können wir nichts ausreichendes sagen. Es ist unklar, ob und wie umfassend das Unternehmen Gilead, das als Hersteller des Anti-Covid-Mittels Remdesivir bekannt ist, mit Streeck verbandelt ist.

Dafür das Hendrik Streeck seit fast einem Jahr immer das Gleiche erzählt, gibt es im Hintergrund doch so einiges über ihn zu recherchieren.

Wir ersparen uns im Folgenden eine Aufzählung seiner ebenso zahlreichen wie offensichtlichen Fehldiagnosen zum Pandemieverlauf. Davon gibt es so viele, dass bei jeder neuerlichen Beschwichtigung seitens Hendrik Streeck reflexartige Hamsterkäufe in weiten Teilen der Bevölkerung einsetzen.

Eines sollte man an dieser Stelle noch einmal betonen: Nach über einem Jahr Pandemie und ständig neuen Forschungsergebnissen sollte niemand mehr annehmen, Hendrik Streeck – Facharzt für Mikrobiologie, Virologie & Infektionsepidemiologie – wüsste nicht, was er in den Talk Shows erzählt. Nein, er weiß es ganz genau. Und auch wenn seine griffigen Aussagen ein regelmäßiger Griff ins Klo sind, ist es leider nicht mehr witzig. Hendrik Streeck geht wie eh und je nach Plan vor.

https://twitter.com/hendrikstreeck/status/1197505754644799489?s=20

Streeck Vortrag: Wirtschaftsforum Hamburg

Wie konsequent und konsistent Hendrik Streeck diesen Plan verfolgt, zeigt eine Aufnahme von ihm auf dem Wirtschaftsforum in Hamburg am 2.10.2020 (Teilnehmer am Ende dieses Videos):

Zu dieser Zeit rollte die zweite Welle bereits heran (Lagebericht vom RKI 2.10.2020 „Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau ist aktuell ein
weiterer Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Daher ist es weiterhin notwendig, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagiert.“; wie es weitergeht, wissen wir ja), die ersten Impfstoffe kamen in Sicht und Begriffe wie PostCovid & LongCovid waren keine Nischenthemen und Hendrik Streeck profiliert sich einmal mehr als marktliberaler Sozialdarwinist vor einem Publikum aus verschiedenen Teilen der Wirtschaft.

Seine Ansprache eröffnet er mit den beachtenswerten Worten, dass er vom Skript vortragen würde. Wessen Feder dieses Skript entsprungen ist, wäre nach dem Heinsberg-StoryMachine-Coup interessant gewesen, lässt er aber offen. Doch hält es ein paar spannende Kniffe parat.

Rhetorischer Trick Nummer 1 erfolgt bereits in der Einleitung: hier verlangt Hendrik Streeck, man müsse die Pandemie nüchtern und „mit kühlem Kopf“ betrachten und dürfe nicht ängstlich sein. Damit versucht er sich als rationalen Menschen zu positionieren wonach jene mit anderem Blick auf die Pandemie seiner Logik folgend die Emotionalen & Ängstlichen sind.

Mit der späteren Bemerkung „mit 80 Millionen Hobbyvirologen könne man nicht diskutieren“ blendet er die Aussagen seiner nationalen & internationalen KollegInnen vollkommen aus und fegt deren Analysen und Maßnahmen im Handstreich vom Tisch. Zu anderen Aussagen im Umgang mit der Pandemie meint er “ [es] sind diese Aussagen alle nicht richtig“. Im Gegensatz zu seinen Kollegen Lauterbach und Drosten erachtet es Hendrik Streeck jedoch als unnötig, die seiner Analyse zugrunde liegenden Daten zu nennen.
Um seine immerwährenden Mantras vom Mutigsein und mit-dem-Virus-leben zu untermauern greift Hendrik Streeck alsbald zur allseits beliebten Gompertz-Funktion. Denn die kennt der geneigte Ökonom als Sättigungsfunktion und man wisse ja, das Pandemien entlang einer solchen Funktion verlaufen und diese sei ja auch gar nicht exponentiell.

Den geneigten LeserInnen dieses Blogs wird es an dieser Stelle in den Ohren klingeln, denn ganz genau: diese fehlgeleitete Diskussion führte bereits unser Schwurbelökonom Homburg, und das obwohl die Gompertz-Funktion auch gern als „doppelt exponentiell“ bezeichnet wird.

https://en.wikipedia.org/wiki/Gompertz_function

Doch halten wir es einmal wie Hendrik Streeck und halten wir uns nicht an Detailfragen auf. Konzentrieren wir uns auf die Aussage dahinter, denn diese hat es in sich:

Wenn der Arzt und Mediziner Hendrik Streeck inmitten einer Pandemie mit einer überwiegend immun-naiven Bevölkerung gegenüber dem Erreger Sars-CoV-2 auf einen Sättigungseffekt setzt, ist das nichts weiter als die mathematisch-ökonomisch ausgedrückte Forderung nach Durchseuchung!

Diese Forderung untermauert Hendrik Streeck durch konsequentes Kleinrechnen von Todeszahlen (Prozentangaben statt absoluter Zahlen) und Vernachlässigen von Themen wie unklare Dauer eines erworbenen Immunschutzes, LongCovid & PostCovid-Syndrom sowie aufkommenden Virusmutationen.

Schaut man nach diesem Brocken weiter im Video, muss man ein wenig kämpfen: mal mit Lachweinen, wenn Hendrik Streeck sich als Opfer inszeniert, um dennoch mit Ausdauer für seine „Wahrheit“ einzustehen, mal mit etwas Würgereiz, wenn Hendrik Streeck mit vollkommen unpassenden Vergleichen zum Thema „gefühltem Risiko“ seine eigentlichen Motive übertüncht.

Vorläufiges Fazit: Uff!

Auch wenn unsere Analyse bis hierher nicht erschöpfend ist und zu Hendrik Streeck noch viel im Dunklen liegt, stellen wir uns die Frage:

Was macht Hendrik Streeck eigentlich beruflich? Ist er noch Arzt oder steht er Wirtschaft & Politik inzwischen näher als dem Hippokratischen Eid?

„Meine Verordnungen werde ich treffen zu Nutz und Frommen der Kranken, nach bestem Vermögen und Urteil; ich werde sie bewahren vor Schaden und willkürlichem Unrecht.“

Doch betrachten wir es positiv: beim RKI und einigen anderen Medizinern ist LongCovid bereits im November angekommen („[…] Das RKI stellt lediglich fest, dass etwa 40 % der in der Klinik behandelten Patienten längerfristig Unterstützung benötigten. Nach milder COVID-19-Erkrankung sei rund jeder 10. länger als 4 Wochen betroffen,[…], Ärzteblatt), an immer mehr Kliniken gibt es spezielle PostCovid-Ambulanzen und erste Berichte in den sozialen Medien geben Anlass zur Hoffnung, dass die aktuellen Impfungen auch gegen die unterschiedlichen LongCovid-Symptome Wirkung zeigen.

Und Hendrik? Nun, Hendrik Streeck findet es müßig, in einer Pandemie über Tote zu reden, findet, es sei eine gute Zeit an Kindern zu experimentieren und möchte weiterhin mutig sein.

Wie mutig Hendrik Streeck im Umgang mit Sars-CoV-2 ist, zeigt sich Anfang Februar, als deutschlandweit gerade erst knapp über 2 Mio. Menschen geimpft sind und Hendrik Streeck durch seine Impfung aus seinem Slogan „wir müssen mit dem Virus leben lernen“ mal eben „ihr müsst mit dem Virus leben lernen“ macht.

Gut, gerade vor ein paar Tagen gewährte das ZDF dem Herrn Streeck wieder einiges seiner besten Sendezeit, damit er durch eine Sendung zum Coronavirus moderieren konnte. Da wurde auch LongCovid thematisiert. Freilich vergaß Herr Streeck dabei zu erwähnen, dass seine Prophezeiungen und die Forderung nach „ein bisschen mehr Schweden wagen“ auch für eine weitaus, weitaus höhere Anzahl von LongCovid-Fällen gesorgt hätten.

Und hatten wir erwähnt, dass diese Sendung für ZDFZeit von i&u TV produziert wurde? i&u TV ist seit dem Verkauf durch Günter Jauch im Jahre 2019 eine Tochter von KKR. Damit ist diese Produktionsfirma eine Schwester des – wartet noch – Springerkonzerns und auch eine Schwester von – wartet nochmal – der Firma „Deutsche Glasfaser“, die ja wie oben geschrieben 20.000 Euro für die Heinsbergstudie berappte. Worum ging es in der Sendung noch hauptsächlich?

Umso beeindruckender setzte die Sendung die Ergebnisse von Streecks eigener Forschungsarbeit in Szene – die Heinsberg-Studie. Die Zuschauer:innen bekamen zu sehen, wie Bonner Wissenschaftler:innen in Gangelt nach Virenpartikeln auf Türklinken suchen, Abstriche nehmen, verstehen wollen, wie sich das Virus in dem nordrhein-westfälischen Landkreis so schnell ausbreiten konnte.

https://uebermedien.de/58399/das-zdf-als-reputations-waschanlage/

Heinsberg, StoryMachine, Diekmann, KKR, 3Winters, i&u TV, ZDFZeit und wieder zurück nach Heinsberg – hier schließt sich ein KKReis mit Streeck mittendrin. Hendrik Streeck, bei dem wir uns fragen, wie lange die Universität ihn noch für KKR freistellt und wie lange er es im Spannungsfeld zwischen BigPharma und BigMedia noch aushält.

Nun können wir froh sein, dass Hendrik Streeck „nur“ in KKR/Springers Auftrag durch Talkshows, ZDFZeit und Interviews tingelt und nicht direkt an den Bundesentscheidungen beteiligt ist, was augenscheinlich sehr wohl an seinem erfolgsverwöhnten Ego kratzt. Und auch, wenn sich Hendrik Streeck niemals von Querdenkern und Schwurblern vereinnahmen lassen wird, hat er mit seinem undurchsichtigem Gebaren bereits viel Schaden angerichtet.

Das Bild des schwer arbeitenden Wissenschaftlers, der völlig von äußeren Einflüssen abgeschirmt unabhängig und sorgfältig seine Arbeit macht und die Ergebnisse durch Kollegen begutachten lässt, verblasst zunehmend, je tiefer man in die Causa Streeck einsteigt. Es wandelt sich zu dem einer Hampelfigur am Bändsel eines Medienkonzerns, der sich schon immer als Meinungsmacher definierte und dessen Krakenarme schon lange in die Politik reichen.

Es ist also nicht zu viel versprochen, wenn wir an dieser Stelle sagen:
Wir behalten Dich und Deinen Klüngel im Auge, denn

Wir sind viele.
Wir vergeben nicht.
Wir vergessen nicht.
Erwarte uns!