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Hintergründe

LongCovid: Der wenig beachtete Long Haul des Virus

Streeck erwähnte es bisher kaum, Homburg berücksichtigt es nicht, Politiker wollen es nicht kennen, denn es würde ihren Lockerungs- und Öffnungsforderungen in der Pandemie zuwiderlaufen: LongCovid.

Viren erzeugen oftmals Spätfolgen im menschlichen Körper. Beim Masernvirus gibt es die „subakute sklerosierende Panenzephalitis“ (SSPE). Bei SSPE greift fünf bis zehn Jahre, nachdem die eigentliche Infektion durch ist, das Virus Nervenzellen im Gehirn an. Besonders betroffen: Kinder. Als Spätfolge der Maserninfektion löst die Krankheit u.a. geistigen Abbau (typisch sind Schulschwierigkeiten), Verhaltensveränderungen, Bewegungsstörungen, Krampfanfälle und Demenz aus. SSPE führt schließlich zum Koma und immer zum Tod. SSPE ist nicht heilbar, die Krankheit ist selten, aber tödlich. Und sie trifft vor allem Kinder.

Auch bei Windpocken kann es zu Spätfolgen kommen. Das Varizella-Zostervirus nistet sich im Körper ein, bei Menschen mit abgeschwächter Immunsystem kann es dann jederzeit wieder seine Macht entfalten, es kommt zurück als Herpes Zoster: Gürtelrose.

Beim Coronavirus SARS-CoV2, einem Virus, dass mehrere Angriffspunkte im menschlichen Körper findet, ist es daher keine Frage gewesen, ob es Spätfolgen gibt, sondern nur welche und wie spät.

Im Verlaufe des letzten Jahres haben sich eine Vielzahl von Symptomen bei Patienten gezeigt, die Covid19 eigentlich überstanden hatten: das Post-Covid-Syndrom oder auch LongCovid.

Es ist eigentlich nicht wirklich eine Spätfolge, sondern eher ein Zeichen für den anhaltenden Kampf des Körpers gegen das Virus. Aber es ist beachtenswert, dass hier auch und vor allem jüngere Menschen betroffen sind, die einen leichten bis mittleren Verlauf von Covid19 erlebten, ob im Krankenhaus durchlaufen oder nicht.

Zu den Symptomen gehören unter anderem Haarausfall, wiederkehrende respiratorische Probleme, Fatigue, Muskelschwäche und Depression. Aber vermehrt werden auch kognitive oder neurologische Probleme beschrieben, Konzentrationsstörungen, Wortfindungsstörungen, Lähmungen, wiederkehrender Geschmacks- oder Geruchsverlust, Brustschmerzen.

Alles das ist wie gesagt nicht davon abhängig, wie schwer der eigentliche Covid19-Verlauf war. Auch sehr Junge Menschen mit sehr leichtem Verlauf sind betroffen. Und zwar reichlich.

Auf DLF beschrieb die Chefärztin der Abteilung für Atemwegserkrankungen an der Median-Reha-Klinik in Heiligendamm, Frommhold die Situation so:

Am meisten Sorgen bereite ihr die Gruppe von jüngeren Betroffenen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren. Diese seien meist mit einem leichten bis mittelschweren Akutverlauf nicht im Krankenhaus gewesen, entwickelten aber nach zwei bis vier Monaten Symptome wie eine deutliche Leistungsminderung oder kognitiv-neurologische Probleme. Sie sehe auf ihrer Station beispielsweise zunehmend Studierende mit dieser Symptomatik, berichtete Frommhold. Ihre jüngste Patientin sei 19 Jahre alt. Momentan seien 70 bis 80 von 120 Betten für Post-Covid-Patienten belegt.

https://www.deutschlandfunk.de/covid-19-aerztin-beobachtet-zunehmend-spaetfolgen-bei.1939.de.amp?drn:news_id=1240454

LongCovid, der Körper braucht lange, um das Virus nachhaltig zu bekämpfen. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Impfungen gegen das Coronavirus auch bei den LongCovid-Patienten für Linderung sorgen. Aber hier laufen erst die Datenerhebungen.

Viren sind zähe Biester und Virusinfektionen sind gefährlich, auch wenn einige beschönigend als „Kinderkrankheiten“ angesehen werden. Harmlos sind sie keineswegs, mit solchen Erkrankungen ist nicht zu spaßen.

Weitaus seltener als LongCovid, aber nicht minder gefährlich ist das Paediatric Inflammatory Multisystem Syndrome bei Kindern, kurz PIMS.

Der Essener Intensivmediziner Christian Dohna-Schwake berichtet über Kinder, im Alter von 5, 12 oder 17 Jahren, die mit hohem Fieber und instabilem Kreislauf auf seine Station verlegt worden seien. Pims sei eine seltene, aber besonders tückische Spätfolge einer Coronavirus-Infektion. Keiner seiner Pims-Patienten sei gestorben, obwohl der Verlauf teilweise kritisch und lebensbedrohend gewesen sei. Die jungen Patienten hatten hohes Fieber, Hautausschlag am ganzen Körper und klagten zum Teil über schwere Bauchschmerzen.

https://www.deutschlandfunk.de/coronavirus-spaetfolgen-neuartiges-syndrom-befaellt-kinder.2850.de.amp?drn:news_id=1240429

Wer also heute für Corona-Parties plädiert und Lieder singt wie „Ein bisschen SARS muss sein“, der zeigt ganz deutlich, dass er im Leben nichts, aber auch gar nichts begriffen hat.

Zum Nachlesen: