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BGH: Familiengerichte nicht zuständig für Anordnungen gegenüber Schulbehörden

Damit ist höchstrichterlich bestätigt, dass die Kindeswohlverfahren gem. §1666 BGB nicht zur Weisung an Schulbehörden in Bezug auf Corona-Maßnahmen durch Familiengerichte führen können

Der BGH hatte zu klären, ob ein Familiengericht ein Kindeswohlverfahren nach §1666 BGB an das Verwaltungsgericht verweisen kann. Darüber gab es zwischen einem Familiengericht und einem Verwaltungsgericht einen Kompetenzkonflikt, daher rief das Familiengericht diesbezüglich den BGH an.

Dieser entschied Anfang Oktober: nein, eine Rechtswegverweisung vom Familiengericht an das Verwaltungsgericht ist nicht zulässig. Grund sei, dass ein Verfahren nach §1666 BGB von Amtswegen betrieben werden müsse, ein Verwaltungsgerichtsverfahren jedoch ein Antragsverfahren sei, dies nannte der BGH unüberwindbar verschiedene Prozessgrundsätze. Soweit – so juristisch.

Doch der Beschluss des BGH (PDF) ist darüber hinaus noch bedeutender, legt er doch fest, dass Familiengerichte keine Zuständigkeit für Anordnungen an Schulbehörden in Bezug auf Coronamaßnahmen haben. Denn im zugrunde liegenden Verfahren hatte wurde das Schreiben der Eltern vom Familiengericht „dahin ausgelegt, dass gegen die Schule gerichtete Unterlassungsverlangen durchgesetzt werden sollen.“

Ein Familienrichter in Weimar hatte in einem ähnlichen Verfahren – § 1666 Gerichtliche Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls – Anfang des Jahres die Schulbehörde angewiesen, die Corona-Maßnahmen für den gesamten Schulbezirk aufzuheben. Dies geschah zwar nur im Rahmen einer einstweiligen Anordnung, hatte aber für Wirbel gesorgt. Manche seiner Kollegen nannten es gar einen ausbrechenden Rechtsakt.

Jetzt hat der Bundesgerichtshof unmissverständlich klargestellt, dass Anordnungen an Schulbehörden ausschließlich von Verwaltungsgerichten erlassen werden können.

Das Familiengericht hat bei einer Gefährdung des Kindeswohls von Amts wegen die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Dabei kann das Gericht in Angelegenheiten der Personensorge auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen (§ 1666 Abs. 1, 4 BGB).

Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass damit jedoch keine Befugnis des Familiengerichts zum Erlass von Anordnungen zur Durchsetzung des Kindeswohls gegenüber schulischen Behörden verbunden ist. Im Rahmen des schulischen Sonderrechtsverhältnisses sind die zuständigen Behörden ihrerseits an die das Kindeswohl schützenden Grundrechte gebunden. Die gerichtliche Kontrolle dieses Behördenhandelns – auch hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen in den jeweiligen Schulen – obliegt hierbei allein den Verwaltungsgerichten.

Eine Rechtswegverweisung des Familiengerichts an das Verwaltungsgericht kommt jedoch wegen unüberwindbar verschiedener Prozessgrundsätze des von Amts wegen zu betreibenden familiengerichtlichen Verfahrens einerseits und des Klage- bzw. Antragsverfahrens der Verwaltungsgerichtsbarkeit andererseits nicht in Betracht. Das familiengerichtliche Verfahren war deshalb ohne Rechtswegverweisung einzustellen.

https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/2021196.html

In Weimar hatte eine solche Entscheidung zu einer Anklage wegen Rechtsbeugung geführt, Durchsuchungen beim Richter und den beteiligten Gutachtern waren die Folge. Nun ist klar, der Richter hat seine Kompetenzen tatsächlich überschritten und damit Recht gebeugt. Ob die Entscheidung des BGH auf sein Verfahren Auswirkungen haben wird, bleibt abzuwarten, er hatte allerdings die Rechtswegverweisung nicht einmal versucht.