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Anonymous Meinungsecke

Warum Anonymous ein sinkendes Schiff enterte

Was hinter dem Titanic-Hack steckt und warum er gerechtfertigt war – ein Gastbeitrag.

Ohai,

ich war eines dieser Kellerkinder, die kürzlich die Website des Titanic Magazins aufs Korn genommen haben. Und wenn ich „ich“ schreibe, so sind damit ca. 13-37 Personen gemeint, die an diesem Artikel schreiben. Für jede Beleidigung oder für unmoralische Ausdrücke möchte ich mich im Vorfeld schonmal entschuldigen (ach ne, sowas machen wir Anons nicht). Aber zumindest möchte ich sagen, dass sich nicht jeder von den folgenden Worten angesprochen fühlen muss und ich gleich natürlich einiges überspitzen werde, sodass es nur auf ein paar wenige zutreffen wird von jenen Gruppen, die sich ggf. angesprochen fühlen. Ich werde gleich auch gegen sich als links bezeichnende Gruppen/Personen austeilen. Das bedeutet aber nicht, dass ich euch mit Rechten/Nazis usw. gleichstelle. Rechtsextremismus ist um ein Vielfaches schlimmer als Linksextremismus! Und falls es euch Interessiert, ich persönlich sehe mich eher der linken Seite zugeneigt.

Nach vielen Angriffen auf die Querdenkerbewegung (wo eine „fehlende Moral“ niemanden von euch gejuckt hat), habe ich es nun einmal gewagt, eine nicht in der Querdenkerszene angesiedelte Website zu hacken. Neben einiger freudiger Zustimmung ließ die Empörung nicht lange auf sich warten. Mir war bewusst, dass dieser Angriff auf Titanic sehr kontrovers aufgenommen werden würde, und ja, vielleicht war dies auch ein wenig beabsichtigt, denn ich freue mich grad riesig, endlich mal selbst einen Artikel schreiben zu können und habe nun endlich einen passenden Aufhänger.

Fangen wir mit dem Bild an, welches als Auslöser (Spoiler: Es war nur der Tropfen der das Faß zum überlaufen gebracht hat) für meinen Hack gesorgt hat:

Ich weiß, was die Titanic Redaktion mit diesem Bild ausdrücken wollte. Es soll ein „Statement“ gegen „Partypatriotismus“ sein, welcher in den Augen von einigen linken Personen verstärkt in Zeiten internationaler Großereignisse wie z.B. der derzeitigen Fußball Europameisterschaft thematisiert und beklagt wird. Ob dieser Partypatriotismus wirklich so brisant ist, dass es gerechtfertigt ist, Deutschlandflaggen von anderen Autos abzubrechen oder von Balkongeländern zu stehlen, würde ich eher bezweifeln, da es sich bei den meisten Zuschauern wohl doch eher um normale Fußballfans handelt, welchen man den Spaß am Fußballschauen nimmt (und nein, ich habe keine Deutschlandflagge an meinem Auto, das sieht einfach scheiße aus).

Die Titanic Redaktion bricht keine Deutschlandflaggen von Autos ab (zumindest ist es mir nicht bekannt), sondern geht einen eigenen Weg, in Form von „Satire“. Man nehme einen Werbeslogan einer bekannten Brauerei und bastelt mit Photoshop ein schickes Bild aus der NS-Zeit rein und fertig. Und selbst wenn jemand den „wichtigen“ Background dieses Bildes nicht versteht, ist es trotzdem ein Lacher, denn lustige NS-Bilder sind ja immer nen Lacher wert?

Ich sehe das nicht so! Dieses Bild ist auf mehreren Ebenen abscheulich und transportiert im Deckmantel der Satire eine Verharmlosung einer Zeit, die sich niemals wiederholen darf.

Schlimmer noch: das Bild setzt Partypatriotismus mit Nationalsozialismus gleich. Patriotismus hat in vielen Fällen nichts mit Nationalsozialismus zu tun. Die Wortschöpfung „Partypatriotismus“ noch viel weniger. Jemand, der während der EM für Deutschland ist und sich mit Fanartikeln eindeckt, welche nunmal die Deutsche Flagge ziert, ist kein Nazi (dazu braucht es schon ein paar mehr Eigenschaften). Auch wenn „Übertreibung“ eine Stilform der Satire ist, bin ich der Meinung, dass es diese Art der Verharmlosung der dunkelsten Zeit in Deutschland nicht rechfertigt.

Und wer die NS-Zeit verharmlost, stärkt Antisemitismus (wenn auch ungewollt). Jenes Bild wird von Rechten und Nazis als Sharepic verwendet, weil es eben jenes Narrativ bedient. Ob der Titanic-Redaktion bewusst ist, dass sie mit ihrem „Statement gegen Partypatriotismus“ auch die echten Nazis bespaßen? Sicherlich, nur ist es ihnen wohl egal, denn bevor man mit einem sinkendem Schiff in der satirischen Bedeutungslosigkeit landet, nimmt man sowas wohlwollend in Kauf.

Und das Argument, dass dieses Bild aus dem Jahr 2016 ist und somit gar nicht mehr aktuell, könnt Ihr euch getrost in den Arsch stecken. Solang die Auswirkungen der NS-Zeit noch aktuell sind, verliert auch sowas nicht an Aktualität, erst recht nicht, wenn kürzlich wieder vermehrt Aufkleber von diesem Bild aufgetaucht sind. Erst recht nicht in Zeiten, in denen Querfrontler und andere versuchen, Holocaust-Relativierung und Antisemitismus hoffähig zu machen. Das ist nicht erst seit dem letzten Jahr so, sondern war auch schon 2016 der Fall.

Ein Einzelfall? Nein, bei Titanic ist es mittlerweile Usus geworden, mit ihrer Art der „Satire“ alle gesellschaftlichen Ränder zu bedienen, und der Kontext rückt für die Reichweite immer weiter in den Hintergrund (sofern überhaupt noch ein Kontext erkennbar ist). So wird auch vermehrt thematisch alles ausgelutscht, was derzeit am meisten Reichweite bringt. Aktuelles Beispiel ist das momentane Bashing gegen die Grünen, welches auch mit satirischen Artikeln/Sharepics von der Titanic Redaktion ausgeschlachtet wird. Ich will hier nicht die Grünen in Schutz nehmen, sondern nur auf die Einseitigkeit aufmerksam machen. Die Einseitigkeit und der für manche nicht wirklich erkennbare Kontext sind gewollt, denn mit diesem Interpretationsspielraum, ist man für alle Seiten offen und erhöht somit die Reichweite. Welche Passagiere man sich damit auf das sinkende Schiff holt?

Seht selbst:

Und an jene, die uns unterstellen wir würden die Falschen angreifen: vielleicht solltet ihr drüber nachdenken ob ihr nicht vielleicht die Falschen in Schutz nehmt.

Hätte ein Hans-Georg Maaßen einen solchen Spruch gegen die Grünen losgelassen, hätten viele von Euch doch auch zurecht einen Shitstorm losgetreten, weil man eben das rechte Narrativ unterstützt. Was ist daran bei der aktuellen Richtung der Titanic anders? Satire darf einfach alles? Warum meckert ihr dann – zurecht – gegen Nuhr?

Vielleicht solltet auch ihr mal in den eigenen Reihen schauen. Sympathiepunkte machen nicht alles obsolet und rechtfertigen keine billigen NS-Vergleiche sowie das vermeidbare Stärken rechter Gruppierungen. Dennoch haben Sympathiepunkte bei mir dafür gesorgt, dass ich diesen Webserver nicht gelöscht habe, wie Anonymous es sonst bei Ken Jebsen, Ignorance, OCG und sonstigen gefährlichen Spinnern gemacht hat. Ein Denkzettel war es, mehr nicht. Satire will einen Fokus setzen; wir tun nichts Anderes.

Um das ganze nochmal von einer anderen Seite zu betrachten. Der Server des Titanic Magazins war dermaßen schlecht abgesichert (ein Upload Script aus dem Jahr 2012 war frei zugänglich), dass man froh sein kann, dass es bisher noch keinen anderen gegeben hat, der sich auf den Servern umgeschaut hat. Jemand, dem die Belange von Privatpersonen scheißegal sind, hätte hier mit den persönlichen Daten von über 150.000 Abonennten und Käufern so einiges anstellen können. Einen Webserver so zu verwalten, ist unverantwortlich und rechtfertigt schon unabhängig von meinen Beweggründen eine Aktion.

Und nein, wir sind keine White Hat Hacker.

Zum Schluss möchte ich noch ein paar direkte Worte an die Titanic Readktion verlieren:

Lt. Wikipedia ist „Satire ist eine Kunstform, mit der Personen, Ereignisse oder Zustände kritisiert…“ . Wenn ihr jedoch in letzter Zeit eher jene Zustände stärkt, welche ihr doch eigentlich kritisiert, was ist eure „Satire“ dann wert? Denkt da mal drüber nach, während ihr euren Kühlschrank in der Redaktion säubert, weil er wieder einmal versifft von vergessenen Lebensmitteln ist (ja, ich habe eure Chats gelesen). Auch ich hoffe das ihr euer sinkendes Schiff wieder auf Kurs kriegt, ohne dass ihr jene stärkt, die es in keinster Weise verdient haben.

Hinweis: Dieser Artikel ist ein Gastartikel einer Gruppe von Hackern. Wir haben diesen Artikel auf Wunsch unverändert übernommen. Wie üblich bei uns, wird auch dieser unter dem Autorennamen AnonLeaks veröffentlicht. Ihr braucht gar nicht erst zu fragen, wer es ist, denn wie immer wurde er anonym zu uns durchgestochen. Wir wissen es nicht. Und selbst wenn, wir würden es nicht sagen. Klar soweit?