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Meinungsecke

Das Impfchaos: selbst Priorisierte werden manchmal nicht geimpft – trotz Termin

Noch immer wird teilweise Impfstoff für die aktuelle Impfgruppe zurückgehalten, weil noch nicht alle durch sind – so geschehen gerade gestern. Deswegen werden an manchen Zentren Impfungen für andere Gruppen trotz Termin und bestätigter Priorisierung verweigert.

Es ist gerade heute rund gegangen wegen Impfungen im Landtag NRW. Laschet keifte, es sei eine Legende, dass Millionen Impfdosen herumliegen. Mag sein, vielleicht sind es keine Millionen, aber nicht jeder mit Berechtigung (Priorisierung) und Termin wird auch geimpft.

Einige werden einfach wieder nach Hause geschickt. So geschehen gestern in einem bundesdeutschen Impfzentrum. Wir wissen nicht in welchem Bundesland.

Der oder die Impfwillige ist nicht über 80 Jahre alt, auch nicht über 60, aber aus diversen Gründen konnte in dem Fall ein Impfanspruch mit hoher Priorisierung nachgewiesen werden, genau, wie es in §3 der CoronaImpfV festgelegt ist. Welcher Grund hier eine Rolle spielte, tut nichts zur Sache.

Vor einigen Wochen wurde daher ein Antrag gestellt, nach zwei Wochen kam das Schreiben für die Termineinladung, der Termin wurde über das Internet gebucht, bestätigt und nicht abgesagt wie in anderen Fällen, die uns bekannt sind. Die Freude über den Termin überwog das Gefühl, sich irgendwie vorgedrängelt zu haben, sagte der Impfkandidat. Doch es gab gute Gründe für die Priorisierung.

Allein: ein Impfanspruch mit hoher Priorität, ein Termin und schriftliche Bestätigungen und die entsprechenden Bescheinigungen bedeuten nicht, dass man auch geimpft wird. Die Fahrt zum Impfzentrum, das Warten, es war für die Katz.

Warum? Wegen schwammiger Vorgaben des Landes.

Das fragliche Impfzentrum – so wurde es beschrieben – ist in zwei Bereiche aufgeteilt:

  • ein Bereich für AstraZenica-Imfpung, bestimmte Berufsgruppen
  • ein Bereich für Pfizer/Biontech, ausschließlich für Personen über 80 Jahren.

Das Problem: unser frisch priorisierter Impfling hatte einen Termin in diesem Impfzentrum für eine Impfung mit dem Pfizer/Biontec-Impfstoff. Der wird in diesem Impfzentrum jedoch nur an Personen über 80 verimpft.

Der Pfizer/Biontec-Bereich des Impfzentrums war leer. Keine Schlange. Der Bereich für AstraZenica war mäßig besucht, kaum Wartezeit.

Eine Impfung gab es dennoch nicht. Sie wurde verweigert. Es gab ansonsten keine Auskunft. Keinen Infostand für Problemfragen. Erst nach langem Betteln und Fordern kam die Leiterin des Impfzentrums. Diese erklärt unserem eindeutig priorisierten Impfling, die Vorgaben des Bundeslandes seien dermaßen schwammig, dass jeder Landkreis seine eigenen Abläufe für Impfzentren hat, sie sind alles andere als einheitlich.

Die Leiterin des Impfzentrums sagte (O-Ton):

Mit der Bescheinigung, die Sie mitgebracht haben, können wir Sie nicht impfen. Wäre die Stadt … [anonmisiert; Anm.] für Sie zuständig, hätte man Sie mit dieser Bescheinigung ohne Termin geimpft.

Die genannte Stadt wäre eine Gemeinde weiter, das Impfzentrum wäre ein anderes gewesen, eines, das sogar vom Wohnort leichter zu erreichen gewesen wäre. Im zuständigen Impfzentrum jedoch gab es keine Impfung. Denn der Impfstoff von Pfizer/Biontec wird noch immer weitgehend für Menschen über 80 und für den Second Shot zurückgehalten.

Es gab auch keine eindeutige Auskunft, wie es weitergeht. Wo der Fehler lag. Warum der Termin für Pfizer/Biontec, wenn das Impfzentrum andere Vorgaben hat? Klar, zum Zeitpunkt als der Termin gemacht wurde, war vielleicht genug Impfstoff da. Oder? Örtliche Behörden, die zuständige Kassenärztliche Vereinigung und die Impfhotline – jeder sage etwas anderes, erklärt unser Impfling, es herrsche Chaos. Und niemand wollte die Verantwortung für das Chaos übernehmen.

Heute am Tag danach, kam dann die folgende Mail:

Besser wäre gewesen: „Es gibt Impfstoff … nur halt nicht für Sie.“ Nicht für unseren definitiv priorisierten Kandidaten mit offiziellem Termin, der nunmal schon da war, im Gegensatz zu den Ü80-Leuten, von denen keine zu sehen waren.

Die Politiker spielen Jojo-Lockdown, während die Immunisierung der Bevölkerung am überbordenden Bürokratismus scheitert. Mutlos, ideenlos, planlos, konzeptlos, das ist derzeit die Politik der Länder, der Städte und Gemeinden im Land. Das bezieht sich auf Lockdown, auf Tests, auf die Impfung.

Wer sagt es ihnen? Wer sagt denen, dass sie ggf. Tausende von Erkrankten, vielleicht Toten, Menschen mit LongCovid auf ihrer Tanzkarte haben? Wer hört den Wissenschaftlern zu, die sagen, wir sind im exponentiellen Wachstum in der dritten Welle? Wer erklärt Laschet, das das Virus auch im vergangenen Jahr nicht auf warmes Wetter reagiert hat?

Es ist aber nicht nur Laschet. Testchaos, Impfchaos, zu später Lockdown, zu frühes Öffnen, Dummheit, Ignoranz und fehlende Fehlereinsicht (trotz „Entschuldigungen“ heute) – Politiker sorgen gerade dafür, dass Corona die Bevölkerung verunsichert. Mehr noch, als es die Querdenker tun, die unser Impfkandidat jetzt seit Monaten beobachtet und … ja, beobachtet reicht.

Ich, der ich diesen Artikel schreibe, ich bin in der letzten Impfgruppe, irgendwo beim Rest. Ich erwarte nicht mehr, dass ich vor dem Jahr 2022 geimpft werde. Eigentlich kann ich nur hoffen, dass in den Schulen, auf Mallorca und im Osterurlaub, dass in der dritten oder vielleicht der vierten Welle, auf Demos oder in Großraumbüros und Fertigungshallen nicht eine Mutante ausgebrütet wird, gegen die die Impfstoffe nicht mehr helfen. Denn wir können nicht so lange alles runterfahren.

Bei Viren-Mutation, einem natürlichen Vorgang, ist es ein Fall von Stochastik: je häufiger man würfelt, um so größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine 6. Und die Politik würfelt derzeit sehr häufig. Sehr, sehr, einfach sehr, sehr häufig. Je mehr Menschen sich infizieren, um so größer die Wahrscheinlichkeit für eine Mutante, die gefährlicher ist, weil sie infektiöser ist oder einen etwas anderen Angriffsvektor hat.

Wenn Laschet also sagt: „Es ist eine Legende, dass Millionen Impfstoffe rumliegen“, dann sollte er dringendst noch mal in sich gehen, seine Landkreise und die Impfzentren fragen. Und vielleicht mal nicht Herrn Streeck oder den Philosophen in seinem „Expertenrat“.

Vielleicht sind es keine Millionen Dosen, der Impfstoff bleibt knapp. Doch noch immer wird teilweise Impfstoff für die aktuelle Impfgruppe zurückgehalten, weil dort noch nicht alle durchgeimpft sind – was, wenn wir ehrlich sind, niemals geschehen wird bei einer Impfbereitschaft von unter 80% in der Altersgruppe. Deswegen werden an manchen Zentren Impfungen für andere Gruppen trotz Termin und bestätigter Priorisierung verweigert. Wofür dann die Priorisierung?

Hätte unser Mensch mit Impfanspruch sich nicht auch mit AstraZenica impfen lassen können? Dem Impfling war es wurscht, auch AstraZenica wäre willkommen gewesen. Aber in Deutschland erübrigt sich die Frage. Natürlich war das nicht möglich.

Angesichts solcher Geschichten wirkt die Ankündigung von Angela Merkel von vor einem Monat merkwürdig: „Wir sprechen im Augenblick darüber, wie es logistisch gelingt, in einer Woche 7,5 bis 9,5 Millionen Dosen zu verimpfen.“ (Quelle) Wir sind stand heute bei nicht ganz 12 Millionen Dosen insgesamt – seit Beginn der Impfung.

Mit wem sie spricht und ob der zuhört?

Wir wissen es nicht. Aber so wird das nichts.