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Warum „Doxxing“ heutzutage immer gefährlich ist

Doxxing oder auch Doxing ist mittlerweile ein Begriff mit einem extrem faden Beigeschmack.

Doxxing oder auch Doxing ist mittlerweile ein Begriff mit einem extrem faden Beigeschmack. Auf Wikipedia wird Doxxing so definiert:

Doxing (von englisch dox, Abkürzung für documents‚Dokumente), auch doxxing, ist das internetbasierte Zusammentragen und anschließende Veröffentlichen personenbezogener Daten, zumeist mit bösartigen Absichten gegenüber den Betroffenen. Zum Teil geht damit auch die Identifizierung anonymer Personen einher.

Menschen, welche schon länger im Netz und vor allem auf sozialen Medien unterwegs sind, wurden damit sicher mal konfrontiert, sei es als Zeuge bzw. Zeugin oder noch schlimmer: als Betroffener.

Hier ein jüngstes Beispiel wie schlimm einfaches Doxxing, das Veröffentlichen von sensiblen Daten wie Privatadressen und Telefonnummern, das Leben von Menschen stark-negativ beeinflussen kann und sie gar um ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder bangen müssen. Oder hier ein Beispiel aus 2019.

Die Zeiten sind extrem rau geworden und auch Anonymous lernt dazu

Für im Internet agierende Kollektive oder Gruppen wie zum Beispiel Anonymous war Doxxing immer allgegenwärtig. Selbst möchte man sich da auch niemals einen Heiligenschein aufsetzen, denn auch wir haben in der Vergangenheit „Dox Files“ veröffentlicht (oder wie man bei uns im Kollektiv so schön sagt: sum1 haz d0x on <person>?, let’s bake a doxcake usw.).

Wir geben euch auch mal direkt ein Beispiel mit auf dem Weg, wie vor vielen Jahren in Deutschland seitens Anonymous gedoxxt wurde, damals war das Thema „Urheberrecht“.

Zu Recht wurde man vom Chaos Computer Club wie auch von Netzpolitik.org und dem DJV dafür kritisiert. Auch hier nachzulesen.

Bei dieser Aktion haben damals einige Aktivisten mitgemacht und AnonNewsDE als Nachrichtenkanal hat diese zusammengetragenen Daten (aus legalen Quellen versteht sich) blauäugig veröffentlicht. Zu diesem Zeitpunkt war die Debatte rund ums Urheberrecht am Überkochen, „Irgendwas müssen wir jetzt machen!“ war so ungefähr der Wortlaut damals im IRC. Niemand hat darüber nachgedacht, dass diese Daten (Namen, Adressen, Telefonnummern) auch von Außenstehenden, böswilligen Menschen benutzt werden können.

Hinweis: Natürlich hat sich an unserer Meinung zum Thema Urheberrecht nichts geändert, noch immer ist das aktuelle Urheberrecht nicht modernisiert und einfach auf deutsch gesagt: große Scheiße. Da ändern auch Dinge wie Artikel 17 nicht viel. Wir werden weiterhin die Regierung diesbezüglich kritisieren, aber nicht mehr mit solch rabiaten Methoden wie Doxxing.

Beispiel, das zum Glück bei uns nie so passiert ist:

„HA! Guck, da haben wir die Adresse vom Promi XY auf Twitter, den habe ich schon immer gehasst, gehen wir einfach mal dahin und klatschen den um!“

Auch hat man sich (gerne) mal untereinander gedoxxt, wenn Anons aus der Reihe tanzten oder einer Operation schaden wollten. So wurde man solche Personen schnell los. Oft sind solche internen „Dox Files“ nicht öffentlich gestreut worden, sondern wurden nur intern (z.B. im IRC) gezeigt. Selbst dies wird nicht mehr gemacht (zumindest hier in Deutschland), weil man damit einfach jemanden massiv schaden kann. Selbst wenn der „Anon“ dadurch seinen Job verliert, ist dies ein Schaden. Aber ja, damals …

Und heute? Es gilt: Anons doxxen keine Anons. Aber nicht nur das. Die Zeiten sind rau geworden und Doxxing wird fast nur noch im politischen Sinne genutzt – oder um anderen Menschen das Leben extrem schwer oder sie selbst mundtot zu machen. Als die Operation Tinfoil sich mit Attila Hildmann beschäftigte, musste man im Vorfeld einiges klarstellen:

Kein „Full Dox“, keine Aufrufe zur Gewalt (ist eh nicht unser Stil), kein Real Life Terror gegen ihn.

Auf Twitter wurden Luftaufnahmen von seinem Haus veröffentlicht und dabei getrollt „Wir haben dich getrackt! HAHA!“, was aber natürlich nicht wirklich so gewesen ist (man wollte seine Paranoia triggern). Um an die Google Earth Aufnahmen zu kommen, musste einfach nur OSINT Arbeit betrieben werden, so wie man es beim regulären Doxxing auch macht.

Wir wissen, dass seine Adresse und seine Handynummer letztes Jahr auf bekannten Dox-Portalen zu finden waren, damit hatten wir aber nichts zu tun. Alles was nach den Luftaufnahmen in dieser Richtung kam, war Eigenrecherche von irgendwelchen anderen Leuten.

Womit wir wieder beim Thema „gefährlich“ wären. Selbst eine simple Luftaufnahme ohne Adressangabe, hätte für den antisemitischen Aluhut gefährlich werden können. Auch wenn Attila Hildmann ein absoluter Spinner ist, so würden wir niemals physische Gewalt gutheißen, niemals!

Damals gab es Pizza und Scherzanrufe – Heute könnten Menschen durch Doxxing sterben

2006 bis 2013 hatte Anonymous (wie auch ähnliche Gruppierungen) einen riesen Spaß dabei, Menschen zu trollen. Das Doxxing gehörte theoretisch auch zum Trolling. Bestes Beispiel von damals ist Hal Turner – nach einem Dox gegen diesen Rassisten gab es massig Pizza oder auch Baumaterial für ihn, bestellt von Trollen aus einem Image-Board. Und ja! Damals wurde viel gedoxxt: untereinander, Politiker, Rassisten wie Hal Turner, just 4 fun – und es ist eigentlich immer bei Scherzanrufen wie auch Pizzabestellungen geblieben. Selbst wenn jemand mal wortwörtlich Scheiße im Briefkasten hatte, so wurde darüber gelacht.

Doch wenn du dich heute dazu entschließt, jemanden öffentlich an den Pranger zu stellen, mit Name, Adresse und mehr so musst du dir wirklich Gedanken darüber machen, ob du damit leben willst, wenn dein geschriebener Dox dafür verwendet wird, dass Leben eines Menschen zu zerstören.

Oder es zu beenden.

Dass politisches Doxxing auch zum Mord führen kann, hat uns leider der Mordfall von Walter Lübcke gezeigt. Ein Dox muss nicht immer direkt öffentlich passieren, es reicht schon wenn die Adresse von jemanden auf einer Hassliste geführt wird und man diese Liste in Netzwerken oder auf Blogs austauscht, wo hasserfüllte Menschen unterwegs sind, siehe Screenshot:

Wie gesagt, Anonymous benutzt nach wie vor virtuelle Methoden, welche für die „Ziele“ einer Operation recht nervig und anstrengend sind. Jedoch gehört Doxxing eindeutig nicht mehr dazu, und wir raten auch jedem davon ab, Personen durch Doxxing an den Internetpranger zu stellen. Lasst es einfach sein.

Auch wenn du eine Person wirklich hasst, so kann das familiäre Umfeld der Person mit unter einem Dox leiden. Gerade die Kinder dieser Person können nichts dafür und vielleicht auch nicht die Mutter oder Schwestern bzw. Brüder.

Bitte überlege erst, bevor du zum Beispiel bei Pastebin auf „create new paste“ klickst, um ein Dox File zu verteilen.

Trollen? Ja unbedingt!

Aber mit Stil und nicht mit Hass! Und nicht mit der Absicht jemanden physische Gewalt oder gar den Tod zu wünschen.

Die Zeiten haben sich geändert und auch anonyme Internetaktivisten wie wir tragen Verantwortung.

Wichtige Differenzierung: Aufklärungsarbeit vs. böswilliges Doxxing

Natürlich könnte man uns nun hier zur Last legen, dass wir ja in der Querdenker Bubble rumstochern und Namen veröffentlichen. Es besteht jedoch ein großer Unterschied zwischen Aufklärungsarbeit, wo man das Profil von führenden Köpfen oder Hintermännern aufzeigen muss, und einem böswilligen Dox von kompletten persönlichen, von sensiblen Daten, hinter dem böse Absichten stecken.

Wenn man hier zum Beispiel in Blogartikeln Namen erwähnt oder aufzeigt, was die Personen beruflich machen, wer sie sind, gehört das mit zur Recherche. Private Adressen, E-Mail-Adressen oder Telefonnummern wird man aber nicht in solchen Artikeln finden.

Menschen, welche Fake News und Verschwörungsmythen absichtlich verbreiten und zum Beispiel öffentlich den Holocaust leugnen, sollten auf keinen Fall mehr als Pädagoge:in arbeiten. Wenn durch eine Recherche so etwas rauskommt und du verlierst dadurch deinen Job, bist du selbst Schuld.

Wenn man jedoch Menschen auf Grund ihrer Hautfarbe, Religion oder politischen Gesinnung durch einen Dox an den öffentlichen Pranger stellt und der Gefahr aussetzt, dass ihnen Gewalt angetan wird, dann sind diese nicht selbst Schuld – dann bist du einfach nur ein Arschloch.