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Aluhutalarm Hintergründe

Corona und der Deep State

Zu jeder zünftigen Verschwörungserzählung gehört auch das Aufdecken von Schuldigen, die die Verantwortung für die Probleme jedes einzelnen tragen. Ob es um eine Erkrankung geht oder sonstige persönliche Schicksalsschläge, es muss einfach eine höhere Macht geben, die einen bestraft hat, obwohl man doch nichts verbrochen hat. Das fängt im kleinen an und gilt natürlich erst recht im großen Ganzen. Es muss jemanden/etwas geben, der oder das gegen einen arbeitet und Intrigen schmiedet.

Jeder hat in seinem Leben schon einmal Ungerechtigkeiten erfahren oder Situationen erlebt, in denen man machtlos ist. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht. Gibt man auf und resigniert man? Oder lernt man aus der Erfahrung und sucht für sich einen anderen Weg? Versucht man, seinen Optimismus zu behalten und die Zeit möglichst positiv zu nutzen? Oder sieht man in Allem nur das Schlechte? Ist das Glas halb voll oder halb leer?

Bei den Anhängern von Verschwörungserzählungen überwiegt offensichtlich das leere Glas. Sie fühlen sich abgehängt und machtlos. Und sie vermuten Kräfte dahinter, auf die sie keinen Einfluss haben. Andere bestimmen über ihr Leben und sind für alles Schlechte verantwortlich. Im Mittelalter waren es die Hexen, die einen verflucht haben und dunkle Zaubersprüche über einen ausgesprochen haben. Heute ist es der Deep State.

Die Idee des „Deep State“ ist schon sehr alt. Gemeint sind hier Gruppen oder Organisationen, die in Opposition zu den herrschenden Schichten oder Regierungen stehen. Auch in der Vergangenheit wurden schon Personengruppen benannt und stigmatisiert, die angeblich geheim gegen Regierungen gearbeitet haben und versucht haben, die Erfolge zu unterminieren. Mal wurden Freimauer und Illuminaten beschuldigt, mal Mitglieder der eigenen Staatsapparate. Auf diese Weise findet man immer einen Schuldigen, wenn die eigenen Handlungen nicht den angekündigten Erfolg bringen; man benannt einfach eine dunkle Macht, die die eigene gute Arbeit torpediert.

So ist es auch bei der Corona-Pandemie. Es kann doch nicht sein, dass ein Virus praktisch das ganze Leben von einem Tag auf den anderen total umkrempelt. Da muss doch einfach mehr dahinter stecken. Das haben wir doch nicht verdient.

Wir suchen nach Gründen, warum das mit uns passiert. Und wir finden – nichts.

Zum Glück gibt es aber einige „auserwählte“ Menschen, die uns die Gründe nennen können. Die uns erklären können, warum das passiert. Die den tieferen Sinn erkannt haben und die wahren Schuldigen entlarvt haben.

Verschwörungserzähler tun genau das. Sie liefern uns einfache Erklärungen dort, wo wir selbst keine Erklärungen finden. Sie liefern uns einen Feind, der an Allem schuld ist. Das Corona-Virus ist für uns unsichtbar, gut suchen wir uns einen sichtbaren Feind, dem wir die Schuld geben können. Das macht uns das Alles leichter. Hier können wir unsere Wut über unsere Situation ablassen.

Natürlich brauchen wir auch noch direkte Schuldige – Gesichter -, auf die wir unsere Wut und unseren Hass projizieren können. Der schwammige Begriff „Deep State“ reicht uns nicht, denn das kann ja jeder sein.

Zum Glück liefern uns unsere Verschwörungserzähler auch gleich ein paar konkrete Namen. Natürlich handelt es sich bei den Schuldigen um die Personen, die uns vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie warnen, um die, die Gefahren aufzeigen und uns zur Vorsicht raten. Die, die uns Handlungsempfehlungen geben, damit wir uns besser vor dem Virus schützen können, sind also die wahren Schuldigen, Teil des ominösen Deep State. Virologen und Immunologen wie Christian Drosten oder auch Anthony Fauci. Die erzählen uns nicht, was wir so gerne hören wollen, also müssen sie schuld sein.

Natürlich gehört die Weltgesundheitsorganisation zum Deep State, schließlich setzt sie sich für staatenübergreifende Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie ein. Und die Medien gehören natürlich auch dazu. In der Zeitung steht ja auch nicht das, was ich lesen will. Die Zeitungen sollten einfach schreiben, die Pandemie sei beendet, dann wäre sie auch vorbei.

Und wenn man schon dabei ist, kann man ja auch gleich noch Personen beschuldigen, die politisch nicht mit der eigenen Meinung übereinstimmen, ob es Angela Merkel, Barack Obama oder Hillary und Bill Clinton sind.

Verschwörungserzähler schüren Feindbilder. Und sie hetzen auf. Sie fordern uns auf, gegen die vorherrschende Meinung zu agieren. Natürlich nicht auf demokratischem Weg, sondern teils im Geheimen und teils durch Sabotage. Sollten in Wirklichkeit sie der „Deep State“ sein, den wir so fürchten?